Eishockey:Der Favorit fällt aus der Rolle

Lesezeit: 3 min

Nanu? Steve Pinizzotto und der EHC München stehen drei Spiele vor Ende der Hauptrunde nicht mehr ganz oben. Über ihnen in der Tabelle thront jetzt Mannheim. (Foto: Johannes Simon)

Meister München bleibt erstmals in dieser DEL-Saison an einem Wochenende ohne Punkte - der letzte Sieg gegen ein Team aus dem Spitzenquartett gelang im Dezember

Von Christian Bernhard, München

Unter Eishockey-Profis gilt die Eissporthalle am Seilersee als einer der schlimmsten Orte auf Erden. Ach was, es ist die "Hölle", sagen die meisten. In dem Klotz aus Stahl, Beton und Wellblech, Baujahr 1971, ist es so laut, dass man sein eigenes Wort nicht versteht, geschweige denn die Mitspieler. Die Kommunikation auf dem Eis sei schwierig, klagte am Sonntag etwa Konrad Abeltshauser, der mit dem EHC Red Bull München in diesem "Hexenkessel" 2:5 unterging. Für die Iserlohn Roosters, die dort ihre Heimspiele austragen, ein echter Vorteil. Fünf Minuten vor dem Spielende wurde es sogar noch einmal lauter. Es brauchte dafür gar keinen weiteren Treffer für die Roosters, der die Fans der Sauerländer noch ein paar Dezibel schriller kreischen ließ, es reichte die Ankündigung des Stadionsprechers, dass es nach der Partie Freibier gebe. Die Stimmung in Iserlohn war am Sonntag so gut wie selten zuvor in dieser DEL-Saison. Die Roosters werden die Pre-Playoffs wahrscheinlich verpassen, das letzte Hauptrunden-Heimspiel war aber ein Fest - zum Leidwesen der Münchner.

Der Meister schlich nach der Schlusssirene geschlossen und schnurstracks in die Kabine, sogar für das übliche TV-Interview auf dem Eis fand sich kein Spieler bereit. Der Frust war groß, alleine Steve Pinizzotto, Keith Aucoin und Mads Christensen hatte in den letzten achteinhalb Spielminuten der Partie 32 Strafminuten kassiert. Mehr als das 2:5 (nach einer schnellen 1:0-Führung) schmerzte den EHC die Tatsache, dass er erstmals seit knapp vier Monaten die Tabellenführung verloren hatte. Neuer Erster mit 100 Punkten sind die Adler Mannheim, die zehn Spiele in Serie gewonnen und in einem Monat neun Punkte auf den EHC (99) gutgemacht haben. Was erschwerend hinzukommt: München verlor am Sonntag in Iserlohn nicht nur gegen ein Team aus dem unteren Tabellenviertel und blieb erstmals in dieser Spielzeit an einem Wochenende ohne Punkte; der Meister hat - und das ist im Hinblick auf die in zwei Wochen beginnenden Playoffs durchaus beunruhigend - offenbar das Siegen gegen die anderen Großen der Liga verlernt.

Das 3:5 am Freitag gegen den neuen Tabellenführer Mannheim war die siebte Niederlage in Serie gegen Mannschaften aus den Top Sechs der Tabelle, gegen die Top-Vier-Teams der Liga haben die Münchner fünf Mal nacheinander verloren. Der letzte EHC-Sieg in einem direkten Duell liegt mittlerweile mehr als zwei Monate zurück, ein 3:2 gegen Mannheim. Man schrieb den 18. Dezember 2016.

Nach außen geben sich die Münchner gelassen. "Das ist noch kein Faktor", sagte Kapitän Michael Wolf, "so weit schauen wir noch nicht." Dominik Kahun wies die Frage, ob das ein psychologischer Nachteil sei, mit einem strikten "Nein, gar nicht" zurück. In den Playoffs könne alles passieren, erklärte der Stürmer, eine Niederlage in einer Best-of-seven-Serie könne man schon zwei Tage später mit einem Sieg wieder gutmachen. "Das ist nicht schlimm."

Trainer Don Jackson war sich nach der Heimniederlage gegen Mannheim allerdings durchaus der Relevanz des Ergebnisses bewusst: "Wir wussten, dass das eine Herausforderung war, die uns auch in den Playoffs erwarten wird." Es wurde dem Trend also gerecht, wenn Yannic Seidenberg am Sonntag betonte: "Wir müssen schauen, dass wir unser Spiel wieder finden." Und zwar schnell. In drei seiner vergangenen vier Spiele holte der EHC keine Punkte. Auch das gab es in dieser Spielzeit noch nicht.

Vor dem letzten Spiel der Hauptrunde in Bremerhaven (Sonntag) geht es in dieser Woche zu Hause noch gegen den Derby-Rivalen und Tabellenfünften Augsburg (Mittwoch) und den Dritten Köln (Freitag, jeweils 19.30 Uhr), der mit 97 Punkten knapp hinter dem EHC liegt - mögliche Konkurrenten im Viertel- oder Halbfinale. Auch die Qualifikation für die Champions Hockey League steht dann auf dem Spiel: Nur die beiden Ersten qualifizieren sich sicher. Ob der neue Verteidiger Yann Sauvé am Mittwoch schon auf dem Eis steht, ist noch offen. Der 27-Jährige vom KHL-Klub Zagreb wurde Anfang dieser Woche in München erwartet. Mehr defensive Stabilität würde der Mannschaft, die in drei ihrer letzten vier Spiele jeweils fünf Tore kassiert hat, nicht schaden. Don Jackson fordert: "Wir müssen jetzt die richtige Reaktion zeigen." Verdammte Hölle noch mal.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: