Eishockey:Bei der nächsten Gelegenheit

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Tölz will die Oberliga hinter sich lassen

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz

Man kann sich die Eishockey-Oberliga wie eine Autobahn vorstellen. Es gibt die Raser, die Schleicher, die dicken Brummis und die notorischen Spurwechsler. Und alle paar Kilometer kracht es. Vergangene Saison führte der EV Regensburg das Feld mit weitem Vorsprung an, ehe in den Playoffs der Motor zu stottern begann - schon zog Bayreuth rechts vorbei und nahm die Abfahrt Richtung zweite Liga. Der Luxusschlitten EVR muss nun zusehen, dass sein hochgetunter Kader möglichst rasch die nächste Anschlussstelle findet. Denn von hinten drängeln schon die Benzinsparmodelle aus Lindau, Höchstadt und Waldkraiburg nach.

Die Tölzer Löwen, ein Oldtimer mit hoher Laufleistung, zuckelt derweil auf der mittleren Spur dahin. Irgendwie, scheint es, steckt der stolze Klub immer im Verkehr fest. Darum haben sie vor einem Jahr Axel Kammerer zurückgeholt. Unter dem ehemaligen Nationalspieler gelang 2008 letztmals der Aufstieg in die zweite Liga - allerdings mündete dieser ein Jahr später im Totalschaden: Insolvenz. In diesem Jahr, Kammerers mittlerem Vertragsjahr, wollen die Löwen moderat Gas geben, vom zweiten in den dritten Gang sozusagen. "Ich denke schon, dass wir mit unserem Budget eine sehr interessante Mannschaft zusammengestellt haben", sagt der Trainer. Das Problem sei nur: "Die anderen Mannschaft sind auch gut." Die Sonthofen Bulls zum Beispiel, an diesem Freitag (19.30 Uhr, Hacker-Pschorr-Arena) erster Gegner in der neuen Saison, kommen mit bekannten Namen in den Isarwinkel. Im Tor teilen sich Nationalspielerin Jennifer Harß und der gebürtige Tölzer Martin Morczinietz die Aufgabe. Ein Modell, das die Tölzer kennen: Bis vor zwei Jahren stand auch bei den Löwen in Viona Harrer eine Frau zwischen den Pfosten.

Start-Aufstellung: Ob aus dem Mannschaftsfoto ein Meisterfoto und aus Axel Kammerer (vorne, mit Brille) ein Meistertrainer wird? Antworten 2017. (Foto: Hartmut Pöstges)

Morczinietz kam ebenso vom EHC Klostersee nach Sonthofen wie Stürmer Charlie Taft, ein US-Collegespieler, der sich vergangene Saison zum Selbstkostenpreis in Grafing angeboten hatte und dort mit 23 Treffern in 29 Einsätzen einer der wenigen Lichtblicke in einer düsteren Spielzeit war. Sportlich verpasste der EHC alle Ziele, wirtschaftlich musste das Präsidium die Notbremse ziehen. Nach wiederholten Gewaltvorfällen in und um das Eisstadion sprangen Sponsoren ab, Klostersee verzichtete auf eine Oberliga-Lizenz und startet kommende Saison in der Bezirksliga. Wieder blieb ein Wrack auf der Standspur zurück.

Bereits ein Jahr davor hatten sich die Erding Gladiators in die Landesliga zurückgezogen. Die Belastungen der dritten Liga konnte der Traditionsverein nicht mehr schultern. Mittlerweile sind die Gladiators wieder in der Bayernliga angekommen, die künftig als Fahrspurassistent und Stabilitätsprogramm der Oberliga fungieren soll.

Nach dem Rückzug Klostersees und dem Aufstieg Bayreuths war das Konstrukt Oberliga Süd bedenklich ins Schleudern geraten. Unter Hochdruck entwickelten die Verantwortlichen beim Deutschen Eishockey-Bund ein Reformmodell, das die Verzahnung von Oberliga und Bayernliga vorsieht, um Aufsteigern die Eingewöhnung und das Überleben in der dritten Liga zu erleichtern. Nur so waren Bayernliga-Meister Lindau sowie Höchstadt und Waldkraiburg dazu zu bewegen, am Oberliga- Rennen teilzunehmen. Einen Frontalcrash ohne Airbag wollte keiner riskieren.

Auch die Tölzer Löwen wollen raus aus dem Stau, spätestens 2018 soll das Team zweitklassig sein. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an Kammerer. Mit der aktuellen Mannschaft erscheint ein Durchstarten jedoch schwierig. Zwar hat ein Fachmagazin Bad Tölz mit Regensburg, Selb und Peiting unter die Titelkandidaten einsortiert. "Aber ich frage mich, warum", fragt Kammerer. Markus Janka, 36, ist zwar nach wie vor einer der besten Schlussmänner der Liga. Vor ihm nimmt die Erfahrung allerdings rapide ab. Der langjährige Kapitän Christian Kolacny, 25, fällt mit gebrochenem Mittelfuß aus, Ex-Nationalspieler Klaus Kathan, 39, mit Gehirnerschütterung. Marinus Reiter, 18, Johannes Huß, 18, und Tom Horschel, 19, haben noch kein Spiel im Seniorenbereich absolviert.

Neben den Rückkehrern Michael Endraß, der für Krefeld und Straubing in der DEL spielte, und Beppo Frank, der zehn Jahre für Riessersee und Rosenheim in der zweiten Liga verteidigte, erwarten sie in Tölz vor allem von dem Kanadier Jordan Baker viel. Vergangene Saison erzielte der 28-Jährige in 41 Spielen 32 Treffer - für Sonthofen. Baker soll die Abschlussschwäche der Löwen beheben und damit die Abwehr entlasten, in der neben Frank kaum gestandene Verteidiger zu finden sind. Deshalb verpflichteten die Löwen kurzfristig den Finnen Iiro Vehmanen, 27, aus der zweiten französischen Liga als Ersatz für den Schweden Filip Björk, dessen Vertrag wegen einer Schulterverletzung aufgelöst wurde. Die Vorbereitung lief so lala: zehn Spiele, sieben Niederlagen. "Wir haben bewusst gegen sehr gute Gegner gespielt", sagt Kammerer, "ich sehe uns weiter als vor einem Jahr". Eines ist aber geblieben: "Wir haben ein Problem mit dem Toreschießen." In Christoph Fischhaber, der elf Jahre für die Löwen spielte, hat Tölz eine Leitfigur an den EV Landshut verloren. Maximilian Kammerer, 20, der Sohn des Trainers, hat bei der Düsseldorfer EG Fuß gefasst, Top-Talent Tobias Eder, 18, hat sich Red Bull München verschrieben; so wie vor ihm Christoph Körner, 19, der nun bei DEL-Neuling Bremerhaven unter Vertrag steht. Umso ärgerlicher ist der Verlust von Christoph Kiefersauer. Den 18-Jährigen parkte der Klub auf der Tribüne, weil er nicht bereit war, einen langfristigen Vertrag zu unterzeichnen. Nun spielt Kiefersauer für Ingolstadt in der DEL. "Da war der Verein zu stur", findet Kammerer. Der Weg in die zweite Liga muss erst noch asphaltiert werden.

© SZ vom 30.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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