Deutsche Eishockey Liga:Einer trifft immer

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Mit dem fünften Sieg nacheinander behauptet der EHC München seine Tabellenführung und demonstriert eindrücklich seine Überlegenheit. "Wir haben gute Zeiten", sagt Trainer Don Jackson

Von Christian Bernhard, München

Hin und wieder steht das Ergometer noch da, jene Spieler des EHC München, die nach den Heimspielen in der Olympia-Eishalle mit der Presse sprechen, sehen es dann aus den Augenwinkeln in einer Ecke stehen. Das Ergometer wirkt dabei etwas verloren, wie ein Relikt aus lange zurückliegenden, fast schon vergessenen Tagen. Gefühlte Ewigkeiten mussten die EHC-Profis unter dem vormaligen Trainer Pierre Pagé auf diesen Trimm-Rädern strampeln, manchmal mehrere Stunden pro Tag. Als die EHC-Saison bereits nach den Pre-Playoffs der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) vorbei war, wurden die Räder zum Symbol für Pagés Scheitern.

Das Wort Scheitern kommt im aktuellen EHC-Sprachgebrauch nicht vor. Die Münchner blicken auf ein Wochenende mit sechs Punkten und 10:1 Toren zurück, des sie auf Platz eins geführt hat. Selbst Trainer Don Jackson, von Natur aus zurückhaltend und selten euphorisch, sprach von einem "besonderen Wochenende". Es sei schön, auf einem guten Weg zu sein, sagte er: "Und auf so einem sind wir jetzt. Wir haben gute Zeiten." Beeindruckend sind momentan nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Art und Weise, wie der EHC zu Werke geht: aggressiv, spritzig, schnell - die Münchner sind in einer beneidenswerten körperlichen Verfassung. "Wir haben es in keinem Wechsel schleifen lassen", sagte Jackson nach dem 4:1-Erfolg gegen Köln am Freitag, der Gästetrainer Niklas Sundblad zu einer knappen, aber verdienten Lobeshymne nötigte: "Die Münchner hatten viel Energie, waren schnell und erzeugten viel Druck."

So dominant auftreten kann eine Mannschaft nur, wenn sie topfit ist. Und genau das ist der EHC. "Wir sind alle in toller Verfassung", betonte Evan Brophey und bedankte sich dafür stellvertretend für das Team beim Trainerstab. "Auf diesen Punkt haben wir nach dem Deutschland Cup speziellen Wert gelegt", erklärte Florian Kettemer, der gegen Köln sein 300. DEL-Spiel bestritten hatte. "Wir haben verstärkt an der Fitness gearbeitet, das zahlt sich jetzt aus." Die läuferischen Qualitäten, auf die Jackson großen Wert legt, kommen dadurch noch mehr zum Tragen und impfen den Spielern noch mehr Selbstvertrauen ein. "Wenn man dem Gegner etwas überlegen ist, macht es Spaß", sagte Kettemer, "so sieht es vielleicht auch leicht aus." Diese Leichtigkeit ist das Ergebnis des druckvollen Spiels des EHC. Torhüter Niklas Treutle, der wie sein Konkurrent Florian Hardy, mit dem er sich abwechselt, in blendender Form ist, sagte stellvertretend für einige Spiele dieser Saison, den Kölnern sei irgendwann die Kraft ausgegangen, wodurch sie "Strafen ziehen mussten". Und damit manövrieren sich die EHC-Gegner in die nächste schlechte Situation.

Ganz besonders stark sind derzeit nämlich die Special Teams des EHC, also die Formationen, die bei Über- und Unterzahl aufs Eis gehen. Sowohl in Wolfsburg als auch gegen Köln erzielten die Münchner zwei Tore in Überzahl, keine DEL-Mannschaft hat so viele Powerplay-Treffer auf dem Konto wie der EHC (30). Die Quote von erfolgreich abgeschlossenen Überzahlspielen (23,1 Prozent) wird nur von Hamburg (23,9) übertroffen. Noch beeindruckender ist das Unterzahlspiel der Münchner. Am Wochenende mussten sie zwölf gegnerische Powerplays (neun davon von Wolfsburg, das über das drittbeste Überzahlspiel der Liga verfügt) überstehen und blieben dabei ohne Gegentor. "Der Schlüssel zum Sieg war unser penalty killing", sagte Verteidiger Felix Petermann nach dem 6:0 in Wolfsburg, "wir haben gar nichts zugelassen." Knapp 90 Prozent der gegnerischen Überzahlspiele bleiben beim EHC erfolglos, das ist so wie die nur elf kassierten Powerplay-Tore Ligabestwert. Nur die Adler aus Mannheim, mit denen sich das Jackson-Team einen packenden Kampf um die Tabellenspitze liefert, können in den Unterzahl-Kategorien einigermaßen mithalten.

"Wir sind alle in toller Verfassung": Drei seiner vier Saisontore erzielte Stürmer Evan Brophey (li.) am vergangenen Wochenende. (Foto: Johannes Simon)

Der Münchner Cocktail aus Fitness, Spielkultur und Disziplin ist für die EHC-Gegner derzeit tödlich. Mit ihren vier ausgeglichenen Angriffsreihen sind die Münchner in der Lage, hohes Tempo zu gehen und permanent Druck auszuüben. "Die Ausgeglichenheit im Team ist unser großes Plus", sagt Thomas Holzmann, "wir sind schwer auszurechnen, da alle Linien torgefährlich sind." Weniger Kraft bedeutet mehr Fouls und Strafminuten für den Gegner, mehr Strafminuten für den Gegner bedeuten mehr Freiraum für den EHC, der dann seine spielerischen Qualitäten noch mehr zur Geltung bringen kann - für die Gegner ein Teufelskreislauf. Beim EHC hingegen wächst das Selbstvertrauen. "Es ist für den Gegner unmöglich, alle unsere Linien zu neutralisieren", sagt Jackson ungewohnt forsch, "eine wird immer treffen."

© SZ vom 02.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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