Boxen:Von Löwen und Kriegern

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Duell auf Augenhöhe: Nach zehn Siegen gelang Toni Kraft (li.) in seinem elften Profikampf gegen den Ukrainer Viktor Polyakov nur ein Remis. (Foto: Niels P. Joergensen)

Nadine Rasche und Alexander Petkovic wollen den lange Zeit darbenden Münchner Boxsport wiederbeleben.

Von Karl-Wilhelm Götte, Dachau

Johann Hölzl zum Beispiel. Ludwig Franz Hirtreiter, oder Udo Jürgen Bockelmann. Nie gehört? Was für Falco, Rex Gildo oder Udo Jürgens recht war, ist im Boxen längst billig: der Gebrauch von Künstlernamen. Arthur Abraham, Felix Sturm oder Marco Huck, viele Faustkünstler bevorzugen ebenfalls einprägsame Pseudonyme. Der Verdacht bestätigt sich auch bei den Brüdern Toni und James Kraft, Namen, die eingängig sind und sich leichter vermarkten lassen als Safet und Musa Avdimetaj. Die beiden Albaner gehören zu den jungen Talenten im Profiboxstall von Alexander Petkovic und Nadine Rasche, den Eheleuten und Gründern der Petko's Boxpromotion. Die Kraft-Brüder aus Waldkraiburg werden immerhin als Junioren-Weltmeister geführt. Toni, 23, und James, 20, sind vor drei Jahren Profis geworden.

Petkovic und Rasche haben sich vorgenommen, den Sport in München und Umgebung wieder hoffähig zu machen. "Das Boxen war in München jahrelang tot", sagt Rasche, zusammen mit Petkovic hat sie es zumindest wiederbelebt. Der Anfang war alles andere als einfach. Im Sommer 2015 hatten sie das Zelt des Circus Krone in München für ihre erste große Veranstaltung angemietet, sie floppte. Nur etwas mehr als 400 Zuschauer kamen zur Fight Night. Der Boxstall zahlte gehörig drauf. "Dann kam doch alles ins Rollen", so Rasche. "Dafür arbeiten mein Mann und ich Tag und Nacht." Die nächsten Kampfabende in den Bavaria Filmstudios oder in Unterschleißheim lockten schon 1500 bis 4000 Besucher an.

Auch die Boxnacht in Dachau am vergangenen Wochenende sei innerhalb von zwei Tagen ausverkauft gewesen, versichert Rasche. Es ist den Promotern offenbar gelungen, das Boxen aus der Schmuddelecke zu holen, düstere Halbweltfiguren waren in Dachau jedenfalls nicht auszumachen. Den Kampfabend in der ASV-Halle bezeichnete die Promoterin als "Traditionsveranstaltung", weil hier alles begann und der Firmensitz samt Boxstudio sich in Dachau befindet. Inzwischen hat der Boxstall zwölf Profis unter Vertrag.

Auch James Kraft muss noch lernen: Er provoziert seinen Gegner und rennt ihm davon

Das große Geld haben weder Promoter noch Boxer bislang verdient. "Wir investieren immer noch", bekräftigt Rasche. Alle ihre Athleten sind in der Aufbauphase, sie sollen nach und nach an Titelkämpfe herangeführt werden. Einige haben bereits eine lange Amateur-Karriere hinter sich. Wie Howik Bebraham aus München, der 150 Amateur-Duelle bestritten hat und über beeindruckende technische Fähigkeiten verfügt.

Der 26-Jährige hat sich den Kampfnamen "der Löwe" gegeben. Er setzte sich in Dachau im Leichtgewicht gegen den Südafrikaner Mzonko Fana durch, der 2007 den WM-Gürtel gewann und sich mit 43 Jahren boxerisch und konditionell immer noch auf der Höhe präsentiert. "Ich greife jetzt richtig an", meinte Bebraham nach seinem Punktsieg und hofft auf einen EM-Kampf. Rasche findet die Qualität der Gegner extrem wichtig. "Wir wollen Kämpfe auf Augenhöhe garantieren und unseren Boxern keine Pfeifen als Gegner in den Ring stellen." Wenn es dann später zu einem WM-Duell komme, sollten die Boxer genügend Selbstbewusstsein gesammelt haben. Wie auch der Super-Mittelgewichtler Vartan Avetisyan, 26, der armenischer Abstammung ist, boxtechnisch überzeugte und Tiran Metz aus Essen besiegte. Gute Gegner zu finden gelingt nicht immer, wie das Profidebüt von Serge Michel im Halbschwergewicht zeigte. Er zwang seinen bosnischen Kontrahenten Slavisa Simeunovic, der kurzfristig für den Kenianer Mbaruku Kheri (Handbruch) eingesprungen war, schon nach fünf Minuten zur Aufgabe. Der Einmarsch zum "Krieger-Song" hatte länger gedauert.

Michel boxt mit dem martialisch klingenden Aufdruck "Bavarian Sniper", bayerischer Scharfschütze, am Hosenbund. Halbschwergewichtler James Kraft hat zwischen Vor- und Nachnamen noch die Agentennummer "007" eingefügt, weil das prima zusammenpasst. In der fünften von acht Runden schickte er in Dachau seinen Gegner Aro Schwarz aus Karlsruhe auf den Boden. Kraft, der seinen elften Profikampf machte - acht davon gewann er vorzeitig - war hoch konzentriert im Ring und wartete geduldig auf seine Chance. Er neigt aber auch zu Mätzchen: Sekunden vor Schluss rannte er im Überschwang der Siegesgewissheit seinem Gegner davon und legte noch einen "Ali-Shuffle" ein. Schwarz fühlte sich verhöhnt und lehnte später zunächst den Handschlag ab. Aus dieser Geschichte kann Kraft auch lernen auf seinem Weg zu den Profis: Dass es oft besser ist, einen Kampf auch seriös zu Ende zu bringen.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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