Basketball:Schwieriges Familientreffen

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Chancenlos: Im Januar 2014 dominierte Real-Star Felipe Reyes (M.) die Bayern um Chevon Troutman (li.) und Deon Thompson beim 111:87-Sieg. (Foto: dpa)

Der FC Bayern München muss zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt in der Euroleague zu Real Madrid reisen: Der spanische Titelverteidiger hat schon zwei Gruppenspiele verloren

Von Markus Schäflein, München

Wer zu einem Spiel antritt, möchte es gewinnen, das gilt fraglos auch für die Basketballer des FC Bayern München. Man dürfe aber "nicht übertreiben", sagte ihr Trainer Svetislav Pesic vor der Abreise zum Euroleague-Auswärtsspiel bei Real Madrid: "Zu sagen, wir gewinnen, wäre zu optimistisch." Es gelte schließlich, bei "einer der besten Offensivmannschaften Europas" anzutreten, "vom nackten Basketball her, abgesehen von der Athletik, könnten sie in der NBA mitspielen." Ohne Übertreibung natürlich.

Es trifft sich schlecht für die Bayern, dass Real einerseits eine derart stark besetzte Mannschaft besitzt, andererseits aber auch schon zwei Partien in der Euroleague-Gruppe A verloren hat. Der Titelverteidiger gewann bisher nur gegen Roter Stern Belgrad, während er auswärts bei den Mitfavoriten Khimki Moskau (70:84) und Fenerbahce Istanbul (66:77) verlor. Den so genannten angeschlagenen Boxer gibt es ja auch im Basketball. "Wir kommen leider nicht zum richtigen Zeitpunkt nach Madrid", findet Pesic, "denn sie müssen jetzt unbedingt zu Hause gewinnen, und sie sind jetzt in sehr guter Form. Wäre es das erste oder zweite Spiel, hätten wir ein bisschen bessere Chancen." Mit zwei überzeugenden Heimsiegen beförderten sich die Bayern zuletzt auf den zweiten Platz; Khimki und Fenerbahce haben ebenfalls zwei Mal gewonnen.

Dass Pesic an diesem Donnerstag (20.45 Uhr) nicht mit einem Sieg rechnet, heißt natürlich nicht, dass er keine Ziele für die Partie hat. In erster Linie möchte er eine gute Leistung sehen, vor allem im Umschaltspiel in der Defensive. "Das ist für uns eine neue Herausforderung, zu sehen, wie man gegen so ein Team bestehen kann", sagte er. "Wir können gegen die Besten bestehen, aber die Frage ist: wie lange? 40 Minuten in Madrid sind nicht einfach."

Für den Übungsleiter der Münchner ist die Partie auch ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Zum Beispiel mit Real-Trainer Pablo Laso: "Wir sind sehr, sehr gute Freunde", sagte Pesic, im Sommer machen die beiden Trainer auch mal zusammen Familienurlaub. Dass sein Kumpel Laso in Madrid "das Vertrauen" genießt und es so schaffte, "dass sich Real in den letzten drei, vier Jahren stabilisiert hat", freut natürlich auch Pesic.

Und dann trifft Pesic noch seinen "Lieblingsspieler", wie er selbst sagt: Real-Center Felipe Reyes, 35, sei "einer der besten Spieler aller Zeiten in Europa, ein bisschen unterschätzt", meinte Pesic. "Wenn er 2005 nach Barcelona gekommen wäre, wäre ich vielleicht immer noch dort Trainer." Am Wochenende beim Liga-Arbeitssieg von Real in Saragossa war Reyes mit 21 Punkten und acht Rebounds der überragende Mann. Vor seinen eigenen Spielern unter dem Korb, Deon Thompson und John Bryant, erwartet Pesic hingegen noch eine Steigerung: "Sie sind noch nicht auf dem Level, das ich mir vorstelle." Seine Mannschaft insgesamt, immerhin, sieht er "jetzt so langsam in besserer physischer Verfassung".

Nicht nur Pesic, sondern auch K.C. Rivers verbindet mit der Partie Erinnerungen - vor seinem Engagement in München spielte er für die Königlichen. "Für mich ist es natürlich ein besonderes Spiel", sagte der Guard. "Ich bin noch mit vielen meiner ehemaligen Teamkollegen in Kontakt. Es wird ein wenig wie ein Familientreffen." Eine wenig familiäre Atmosphäre erwartet er allerdings auf dem Feld: "Nach der Niederlage gegen Istanbul wird Real alles daran setzen, knallhart zurückzuschlagen, und die Energie in der Halle wird mitreißend sein. Für uns wird es eine große Herausforderung werden, Madrid zu stoppen." Es gelte, "Präsenz zu zeigen und ihr Spiel klein zu halten, bevor sie ihren Rhythmus finden".

Ob Rivers über den Winter hinaus bei den Münchnern bleibt, ist nach wie vor offen, sein Vertrag läuft ja zum Jahresende aus, und festlegen mag er sich noch nicht - viel wird bei dieser Entscheidung vermutlich von der Zukunft des FCB in der Euroleague abhängen. Aber die Bayern wussten ja bei der Verpflichtung, was sie erwartet. Pesic fragte schließlich bei seinem alten Freund Laso nach, was er über den Spieler zu berichten habe. "Ich habe natürlich mit ihm über Rivers gesprochen" berichtete er. "Er hat gesagt: K.C. ist K.C. - was er damit gemeint hat, weiß ich nicht." Wie das so ist bei alten Freunden, wird er es ganz genau gewusst haben.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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