Basketball:99 Prozent Unklarheit

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Nach dem demütigenden Playoff-Aus bleibt die Trainer-Frage bei den Bayern-Basketballern weiter offen

Von Patrick Reichardt, München

Um zu erklären, was der FC Bayern München für seinen Vater Svetislav bedeutet, musste Marko Pesic weit in die Vergangenheit blicken. Als Pesic senior, 66, die Mannschaft im November 2012 übernahm, packte er sein damals in einer Krise befindliches Team und nahm es mit in die Erlebniswelt in der Allianz Arena. Er wollte seinen Profis zeigen, was das für ein Verein ist, dieser FC Bayern.

Dieser Tage bekommt das serbische Trainer-Urgestein selbst zu spüren, was es bedeutet, in der Verantwortung dieses prominenten Klubs zu stehen. Pesic, als Trainer unter anderem Welt- und Europameister sowie Euroleague-Sieger, hatte Mitte März angekündigt, er werde den Verein zu "99 Prozent" zum Saisonende verlassen. Als die Saison beendet war, drehte der Serbe die Zahlen plötzlich um und sagte, er werde nun doch zu "99 Prozent" noch mindestens ein Jahr weitermachen.

Doch so einfach, wie er die Situation nach der "Demütigung" (Marko Pesic) gegen Bamberg und dem damit verbundenen Ausscheiden im Playoff-Halbfinale dargestellt hat, ist sie bei weitem nicht. "Es gibt eine grundsätzliche Diskussion bei Bayern München. Die hat etwas mit dem Trainer zu tun, die hat etwas mit den Spielern zu tun und die hat auch etwas mit der Geschäftsführung zu tun", sagte also Geschäftsführer Marko Pesic beim Saison-Abschlussfest, das die Bayern trotz des enttäuschenden Verlaufs im heimischen Dome veranstalteten. Dass Pesic senior die Münchner demnach auch in der kommenden Saison trainiert, ist keineswegs sicher. Zumal auch die Mannschaft keine Zeichen von sich gibt, unbedingt in der bestehenden Konstellation weitermachen zu wollen. "Als Spieler ist es wichtig, professionell zu sein, egal wer der Trainer ist. Für mich gibt es nichts, was ich bevorzugen würde", sagte Maxi Kleber in Bezug auf die anhaltenden Debatten um den Coach.

Eine Entlassung des eigenen Vaters, über die bereits spekuliert wurde, ist für Marko Pesic aber keine Option: "Er hat einen Vertrag, und solange jemand Vertrag hat, kündige ich keinem. Wir sind kein Verein, der Leute rausschmeißt", sagte Pesic, der als Spieler sechs deutsche Meisterschaften gewonnen hat. Der 39-Jährige verfolgt nach der zweiten titellosen Saison in Serie ein ganz anderes Ziel: "Nächstes Jahr muss die beste Mannschaft auf dem Feld stehen, die in den letzten fünf Jahren für Bayern gespielt hat." Dazu zählt er auch das Trainerteam, mit dem er auch kurz nach Saisonende "jeden Tag" spreche.

Nach einem Kandidaten für eine mögliche Nachfolge haben die Bayern bislang überhaupt noch nicht gesucht. Selbst dann nicht, als zu befürchten stand, dass Pesic trotz gültigen Vertrags bis 2017 nach seiner dritten Spielzeit in München hinschmeißt. Mit dem schwachen Auftreten in den Playoffs und dem desaströsen Aus gegen Bamberg hat sich die Wahrnehmung aber deutlich geändert. Bayern hat das Klassenziel so deutlich verfehlt wie seit der Debütsaison 2012 nicht mehr. "Das Ziel ist immer, dass alle Beteiligten sich zusammensetzen und im Konsens eine Entscheidung treffen", sagte Geschäftsführer Marko Pesic.

Falls auf die Gespräche zwischen Trainer und Verein also die Trennung folgt, dann wird es aussehen wie ein einvernehmliches Ende. Schließlich hat sich der 66-Jährige ja selbst ein Hintertürchen offen gelassen, indem er seinen Verbleib erneut auf "99 Prozent" taxierte. Wieder bleibt viel Raum für Interpretationen, zumal der Coach beim Fan-Fest am Mittwochabend vielsagend anfügte: "Ein Versprechen ist keine Garantie." Unmittelbar nach dem Aus in Bamberg klang das noch anders: "Es gibt keine Trainerdiskussion", hatte Pesic empört gesagt. An der Entscheidungsfindung seien nicht nur Trainer und Geschäftsführung beteiligt, sondern auch das Präsidium, erinnerte nun Marko Pesic.

Die Liste der Dinge, die der FC Bayern verbessern muss, ist ohnehin lang: "Es hat uns deutlich an Konstanz gefehlt, in den entscheidenden Momenten auch an Sicherheit und kühlem Kopf", urteilt Marko Pesic. Zum Saisonabschluss präsentierte er sich gelöst und locker, in rotem Polo-Shirt statt wie gewohnt im feinen Anzug. Nach dem 0:3 gegen Bamberg habe es "ein bisschen gedauert, bis auch ich wieder ansprechbar war", sagte der ehemalige deutsche Nationalspieler. Bei der Aufarbeitung beginnt Pesic junior nun bei sich selbst. "Für alles, was hier passiert, trage ich die Verantwortung", sagt er. Besonders für den Trainer in der kommenden Saison.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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