Basketball:Mienen-Spiel

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Der Maestro bei der Arbeit: Bayern-Trainer Sasa Djordjevic kann mit Blicken und Gesten mehr sagen als mancher Kollege mit Worten. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Erst versteinert, dann erleichtert: Nach dem wilden 78:72 in Panevezys zieht der FC Bayern vorzeitig ins Viertelfinale des Eurocups ein. Am Samstag geht es in der Bundesliga nach Würzburg - vielleicht schon mit Center Maik Zirbes

Von Ralf Tögel

Es gibt wohl wenige Trainer, die den Gesichtsausdruck der Fassungslosigkeit so perfekt beherrschen wie der Basketball-Coach Sasa Djordjevic. Das hat mit seiner Vergangenheit zu tun. Der Serbe war einer der begnadetsten Spielmacher des Kontinents; als Coach strebt er nach Perfektion. Als Aktiver hat Djordjevic bis auf Olympia-Gold alles gewonnen, 1996 stand dem Titel mit Jugoslawien das Dream Team III im Weg, mit Akteuren wie Charles Barkley, Scottie Pippen, Reggie Miller, Karl Malone, Shaquille O'Neal oder Hakeem Olajuwon. Es blieb bei Silber. Djordjevic wurde zigfach ausgezeichnet und geehrt - und er ist mit seinen 49 Jahren noch nah genug dran, dass ihm für manchen Fehler seiner Spieler das Verständnis fehlt. Also stand er am Mittwochabend mit versteinerter Miene am Spielfeldrand, als Maximilian Kleber seinen ersten Dreierversuch abdrückte. Der Ball flog und flog - und platschte auf den Boden. Ohne irgendetwas berührt zu haben, geschweige denn den Korb. Airball nennen die Basketballer derart missratene Würfe. Als sich kurz darauf Nick Johnson von jenseits der 6,75-Meter-Linie versuchte und auch sein Ball weit am Ziel vorbeisegelte, schlug Djordjevic die Hände vors Gesicht.

Die Dreipunktewürfe sollten an diesem Abend miserabel bleiben. Die gute Nachricht: Die Bayern haben sie gar nicht erst gebraucht, um das Spiel beim litauischen Vertreter Lietkabelis Panevezys 78:72 zu gewinnen und vorzeitig ins Viertelfinale des Eurocups einzuziehen.

Es gab in dieser Partie mehrmals Gelegenheit für den Trainer des FC Bayern München, an seiner Mimik zu feilen. Es war ein wildes Hin und Her zwischen richtig sehenswerten Aktionen und einfachen Fehlern, zwischen flinken Passstafetten mit sicheren Abschlüssen und weggeworfenen Bällen. Die zweifellos schlechtesten Akteure des Abends aber waren die Referees. Die machten es den Spielern unmöglich, sich auf irgendeine Linie einzustellen, denn das Trio in Schwarz-weiß hatte keine. So konnten sich alle Akteure auf dem Parkett in ungläubigen Blicken üben, wenn sie aus heiterem Himmel Fouls kassierten, harte Aktionen aber ungestraft blieben.

Es war ein wilder Ritt, den die Bayern im Norden Litauens hinlegten. Nach einem guten Beginn und einer 13:9-Führung verloren sie den Faden. Nick Johnson unterliefen in dieser Phase einige leichte Fehler, seine Pässe fanden keine Abnehmer, er verdribbelte den Ball oder verfehlte den Korb. Darauf hatten die routinierten Gastgeber nur gewartet. Der FCB-Spielmacher kann für die Verfassung des Teams an diesem Abend beispielhaft stehen. Denn auf der anderen Seite war er einer von vier Spielern, die zwölf Punkte erzielten, er versenkte den ersten Dreier für die Münchner, einen wichtigen zum 39:40 mit der Pausensirene. Die anderen drei Bayern-Akteure, die zweistellig trafen, waren Center Devin Booker, Kapitän Bryce Taylor und Routinier Anton Gavel.

Gavel war darüber hinaus derjenige, der kaum Fehler machte. Der Nationalspieler zeigte sich erneut in starker Verfassung. Schon beim Pokalsieg gegen Bonn riss der Deutsch-Slowake mit seinem Kampfgeist die Kollegen mit, in Panevezys vollendete er den Sieg mit einem trockenen Wurf kurz vor Schluss. Gavel erzielte die letzten fünf Punkte. Dass sich die Bayern so schwer taten, lag natürlich nicht nur an den schwachen Referees und den eigenen Unzulänglichkeiten, sondern zuvorderst am Gegner. Panevezys hat ein recht betagtes Team um die beiden 37-jährigen litauischen Legenden Mindaugas Lukauskis und Topscorer Ksistof Lavrinovic, der ebenfalls zwölf Punkte erzielte. Überhaupt ist Panevezys ein sehr robustes Team, gegen das vor allem vor eigenem Publikum schwer zu spielen ist. Das mussten schon die Ulmer erkennen, die dort in der Schlussphase noch knapp unterlagen, nachdem sie deutlich geführt hatten. Der Schlüssel war einmal mehr die Defense. Im dritten Viertel setzten die Münchner den Gastgebern gehörig zu, gewannen den Abschnitt 24:16 und legten so den Grundstein zum Sieg.

Nun geht es gegen Khimki Moskau um den Gruppensieg, mit dem die Münchner Valencia im Viertelfinale aus dem Weg gehen würden. Das aber ist noch weit weg, Djordjevic murrte noch ein wenig über die schwache Defense in der ersten Halbzeit, dann sagte er, dass man gesehen habe, dass ein großer Spieler fehle. Der wartet bereits in München. Schon am Wochenende könnte Maik Zirbes in Würzburg mit dabei sein. Dann lächelte Djordjevic zufrieden. Ein Gesichtsausdruck, den er in jüngerer Vergangenheit des Öfteren zeigte.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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