Basketball:99 Luftschlösser

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Ein überforderter Kapitän, ein unsichtbarer Spielgestalter, ein unberechenbarer Trainer - und zwei Lichtblicke: Der FC Bayern München in der Einzelkritik

Von Joachim Mölter und Ralf Tögel

Es wäre nicht fair, die Basketballer des FC Bayern allein nach ihrem letzten Spiel zu beurteilen. Nach dem 65:96 gegen den deutschen Meister Bamberg und dem Ausscheiden aus dem Playoff-Halbfinale bliebe nur eine Note übrig: ungenügend! Ganz so desaströs wie der Abschluss gestaltete sich die Saison nicht. Festzuhalten bleibt aber: Ob Bundesliga, Pokal oder Euroleague - die Ziele der FCB-Profis erwiesen sich als Luftschlösser.

Bryce Taylor: Der Kapitän der Mannschaft steht beispielhaft für deren Zustand. Was der sprunggewaltige Kalifornier zu leisten in der Lage ist, hat er oft genug bewiesen. Flugeinlagen, krachende Dunks, präzise Dreier. Doch in den entscheidenden Partien, den so genannten Do-or-die-Spielen wie eben dieser letzte Auftritt der Saison am Sonntagabend in Bamberg, wirkte auch Taylor überfordert. Der 29-Jährige geht voran, zeigt Flagge, stellt sich auch in unangenehmen Situationen und gehört zu den wenigen im Team, die über die Saison einigermaßen konstant ihre Leistung abgerufen haben. Doch in entscheidenden Momenten ist Taylor etwas Entscheidendes nicht gelungen: sein Team mitzureißen.

Anton Gavel: Das Arbeitsethos des Deutsch-Slowaken ist legendär, seine große Zeit erlebte der 31-Jährige allerdings im Trikot der Bamberger, ausgerechnet. Deshalb ist er der einzige Münchner, der in der Brose-Arena mit Beifall bedacht wird. Gavel kam angeschlagen von der Europameisterschaft zurück, schleppte diesen Rucksack weit in die Saison hinein, steigerte sich aber zusehends und zeigte in den Playoffs seine besten Spiele. Bei Gavel hatte die Leistungskurve die richtige Richtung.

Center John Bryant gegen Daniel Theis. (Foto: imago/Zink)

Alex Renfroe: Der Spielgestalter muss sich an großen Vorgängern messen lassen. Tyrese Rice und vor allem Malcolm Delaney im Meisterjahr haben das Spiel der Bayern zu ihren Zeiten herausragend inszeniert. Weil die beiden Spielertypen sind, die in schwierigen Situationen erst richtig aufblühen, Verantwortung übernehmen, ein Spiel an sich reißen - und punkten. Renfroe ist ein anderer Typ, einer, der zuerst darauf schaut, seine Nebenleute einzusetzen. Dafür haben ihn die Bayern geholt, scoren sollten andere. Der Plan ist nicht aufgegangen. In den wichtigen Momenten war von Renfroe zu wenig zu sehen.

John Bryant: Der 2,11 Meter große Center hat den wohl größten Rückschritt aller FC-Bayern-Profis gemacht: Vor einem Jahr war er zeitweise der beste Rebounder der Euroleague, da wähnte ihn Trainer Svetislav Pesic noch auf dem Weg in die NBA, das gelobte Land der Basketballer. Doch in dieser Saison spielte der Kalifornier selbst in der Bundesliga keine große Rolle mehr. Offensiv war er zwar immer noch gefürchtet, vor allem wegen seines feinen Händchens bei Distanzwürfen. Aber in der Defensive war der Zweieinhalb-Zentner-Mann zu schwerfällig, was flinke Angreifer immer wieder ausnutzten.

Niederschlag in der vorletzten Runde: Guard Anton Gavel (li. mit Bambergs Nikolaos Zisis) blickt ins Nichts. (Foto: imago/Zink)

Deon Thompson: War Stammkraft während der Meistersaison 2013/14, sollte das nach seiner Rückkehr wieder werden. Von der Athletik des auf dem Flügel und unter dem Korb einsetzbaren Amerikaners versprach man sich viel, aber auch er konnte das Versprechen nicht einlösen. Oder, wie etliche seiner Kollegen, zu selten.

Justin Cobbs: Kam während der Saison als Ersatz für K.C. Rivers. Schwieriger hätte sein Einstieg kaum sein können. Shooting Guard Rivers war zu diesem Zeitpunkt der bestimmende Spieler im Team. Ein Vergleich verbietet sich eigentlich, denn Cobbs ist ein klassischer Point Guard, ein Spielgestalter. Vor allem in den ersten Partien bewies der 25-Jährige, dass er eine wertvolle Option sein kann, eine Ergänzung. Cobbs mühte sich redlich, kam über diesen Status allerdings selten hinaus.

Paul Zipser: Rarität im Team, weil bei ihm eine positive Entwicklung zu erkennen war. Der 22-Jährige bekam deutlich mehr Spielzeit, nutzte diese zumeist auch gewinnbringend. Kam als sogenannter Energizer von der Bank und sorgte für Impulse auf dem Flügel. Traf zuverlässig. Spektakulär waren seine Aktionen in der Defensive, vor allem die Blocks, mit denen der Zwei-Meter-Mann jene Athletik nachwies, die ihn auch für NBA-Klubs interessant macht. Hat sich jedenfalls für die Draft im Juni angemeldet und gilt durchaus als Kandidat für einen der begehrten Plätze in der besten Liga der Welt. Was aber nicht heißt, dass er sofort in die USA wechselt.

Am Ende muss FCB-Coach Svetislav Pesic (li.) seinem Kontrahenten Andrea Trinchieri zum Sieg gratulieren. (Foto: imago/Zink)

Nihad Djedovic: Immer wieder von kleineren und größeren Verletzungen geplagt und aus dem Rhythmus geworfen, konnte der gebürtige Bosnier mit deutschem Pass nicht an seine vielversprechenden Leistungen der vergangenen Jahre anknüpfen. Vor allem seine Distanzwürfe fielen nicht mehr so oft, was womöglich auch daran lag, dass er sein Glück bisweilen erzwingen wollte. Tat sich damit keinen Gefallen.

Dusko Savanovic: Half dem Team in der ersten Saisonhälfte mit seiner Erfahrung über viele Verletzungsprobleme hinweg. Musste dabei aber mehr Minuten spielen, als seinem 32 Jahre alten Körper gut taten. Baute im weiteren Saisonverlauf ab und trat in den Playoffs so gut wie nicht mehr in Erscheinung - auch wegen einer Fingerverletzung, wie es hieß. Bis dahin einer der Verlässlichsten.

Vitalis Chikoko: Der 2,09-Meter-Schlaks wechselte im letzten Moment vor Ablauf der Frist - als Antwort auf die Verletzungsmisere der Bayern. Der Center hatte gute Momente, war als siebter Ausländer im Team aber von Anfang an nur als Option gedacht. Weil das Pech den Münchnern treu blieb, kam Chikoko zu mehr Einsätzen als erwartet. Füllte seine Rolle gut aus, musste in den K.-o.-Spielen aber erkennen, dass ihm zum Top-Niveau in der Bundesliga noch einiges fehlt.

Der FC Bayern wird von Meister Bamberg in drei Spielen aus dem Playoff-Halbfinale gefegt. (Foto: imago/Zink)

Maximilian Kleber: Kam mit einer Sprunggelenksverletzung aus Spanien und versäumte fast die ganze erste Saisonhälfte. Danach benötigte er nicht viel Zeit, um im Bayern-Spiel ein Faktor zu werden. Vor allem seine spektakulären Blocks erregten Aufsehen. Kleber war in den Playoffs der beste Bayer. Wenn der 24-Jährige körperlich fit ist, könnte er zu einem bestimmenden Spieler im Klub und in der Liga werden. Die Verpflichtung von Kleber war eine ausgesprochen kluge Investition in die Zukunft.

Karim Jallow: Nicht umsonst haben die Bayern dem 19-jährigen Guard einen Profivertrag gegeben. Jallow gilt als eines der größten deutschen Talente. Er war maßgeblich am Gewinn der deutschen NBBL-Meisterschaft beteiligt, sammelte in dieser Saison zusätzlich im Regionalligateam Spielpraxis und war dort ein wichtiger Faktor beim Aufstieg in die ProB. Pesic warf ihn in Bamberg mangels Alternativen ins kalte Wasser, eine eher unschöne Erfahrung für den talentierten Münchner.

Sebastian Schmitt/Dejan Kovacevic: Trainieren beide mit den Profis, waren beide Führungsspieler im Meisterteam der Regionalliga, spielten aber in dieser Saison bei den Profis noch keine Rolle.

Svetislav Pesic: Der Trainer sorgte auch in dieser Saison für denkwürdige Momente, zum Beispiel, als er seine Mannschaft einmal in einer Auszeit eine Minute lang demonstrativ anschwieg. Probierte es auch mit Anschreien. Schaffte es allerdings nur selten, seine Spieler aufzurütteln. Irritierte auch die Fans mit einer 180-Grad-Wende: erst der 99-Prozent-Rücktritt, weil ihm Schiedsrichter und Liga auf die Nerven gingen, dann die 99-Prozent-Rückkehr, weil er so offensichtlich nicht aufhören will.

Emir Mutapcic: Tat sich besonders in einer Disziplin hervor: dem Einfangen des Cheftrainers. Allein deshalb unverzichtbar. Von keinem anderen als seinem alten Weggefährten würde sich Svetislav Pesic das wohl gefallen lassen. Bleibt Pesic, muss auch "Muki" bleiben.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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