Basketball:Leichtsinn auf dem Fahrersitz

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Beweglicher Riese unter dem Korb: Keiner im Bayern-Trikot stopft die Bälle mit mehr Wucht durch den Ring als Center Devin Booker. (Foto: Christian Kolbert/imago)

Die FC-Bayern-Basketballer holen sich mit einiger Mühe den Pflichtsieg gegen Tübingen. Trainer Djordjevic fordert vor den Partien gegen Istanbul und Bamberg deutlich mehr Ernsthaftigkeit.

Von Matthias Schmid, München

Die kleinen Tragödien spielen sich meistens im Rücken der Bayern-Profis ab. Als Braydon Hobbs am Sonntagabend nach Spielende ein paar Fragen zum 84:72-Sieg gegen Tübingen beantwortete, suchte ein kleiner Junge seinen Basketball. Verzweifelt tat er das. "Wo ist denn mein Ball", wiederholte er mit schwer seufzender Stimme und fragte sogar Maik Zirbes um Rat. Doch der Münchner Center konnte ihm genauso wenig helfen wie sein Vater. "Da sind so viele Unterschriften drauf", klagte der Bub, seine Augen waren inzwischen schon feucht geworden.

Die Schwankungen deutet Hobbs sogar als positiv - "weil wir trotzdem erfolgreich waren".

Diese Leidenschaft hätte sich Bayern-Cheftrainer Aleksandar Djordjevic zuvor auch von seinen Spielern gewünscht. Er haderte mal wieder mit dem Arbeitsethos, einige Profis ließen seiner Meinung nach in der Defensive die Ernsthaftigkeit vermissen. Die Münchner hatten sich gegen den bisher sieglosen Tabellenletzten aus Tübingen lange schwer getan, im dritten Viertel führten die Württemberger gar mit 56:51, zwölf Mal wechselte die Führung, ehe der Tabellenführer im Schlussviertel energischer verteidigte und sich so einen entscheidenden Vorsprung herausspielte. "Unsere Defense bestand daraus, zu hoffen, dass Tübingen nicht trifft", kritisierte Djordjevic den Hang zur Sorglosigkeit zunächst freundlich, um dann fordernder hinzuzufügen: "Wir müssen endlich eine hohe Intensität in der Verteidigung zeigen, nicht über 35, nicht über 32 oder 38, sondern über 40 Minuten hinweg."

Gegen Tübingen genügten in der Tat zehn couragierte Minuten im Schlussviertel, um als Sieger das Parkett zu verlassen. In den nächsten beiden Spielen an diesem Mittwoch (20.30 Uhr) im Eurocup gegen Galatasaray Istanbul und am Sonntag gegen Meister Brose Bamberg werden die Münchner entschlossener auftreten müssen. "Da müssen wir unbedingt unser A-Game abrufen", wie es Spielmacher Hobbs formuliert. "Da müssen Tempo und Konzentration von Anfang an stimmen."

Dass es im Spiel der Münchner immer wieder diese Phasen gibt, in denen sich Schludrigkeiten einschleichen, ist Hobbs natürlich nicht verborgen geblieben. Dramatisieren möchte der Amerikaner die Unbeständigkeit aber nicht, er deutet sie sogar in eine Stärke um, "weil wir noch nicht unseren Leistungshöhepunkt erreicht und trotzdem erfolgreich gespielt haben".

In der Tat haben die Münchner in der Bundesliga nur eins ihrer zehn Spiele verloren, im Eurocup sind sie sogar als einzige Mannschaft in ihrer Gruppe unbesiegt. Hobbs, ein schlauer Kopf, findet einen schönen Vergleich, um die günstige Ausgangslage zu beschreiben. "Wir sitzen in beiden Wettbewerben noch auf dem Fahrersitz." Die Münchner geben also die Richtung vor, sie haben es selbst in der Hand, wohin sie steuern werden.

Nach drei titellosen Jahren wollen sie beim FC Bayern unbedingt einen Titel gewinnen. Dass sie dabei auf dem richtigen Weg sind, haben sie in den bisherigen Spielen - trotz kleinerer Nachlässigkeiten - bewiesen. In ihren guten Momenten sind sie nur schwer aufzuhalten, weil sie in der Offensive so wie viele unterschiedliche Möglichkeiten haben. In Jared Cunningham, der gegen Tübingen 23 Punkte sammelte, und Nihad Djedovic haben sie gute Werfer von außen. Sie haben unterm Korb bewegliche Kolosse wie Devin Booker, Maik Zirbes, Milan Macvan und Danilo Barthel. Sie haben in Reggie Redding oder dem derzeit verletzten Vladimir Lucic Spieler, die im Eins-gegen-eins ein Spiel entscheiden können. Und sie haben Strategen wie Hobbs, Anton Gavel und Stefan Jovic, die das Spiel strukturieren und ihre Mitspieler besser machen können. Jovic muss in den nächsten Tagen wegen einer Handverletzung allerdings pausieren. Wann ihn Cheftrainer Djordjevic wieder aufbieten kann, ist ungewiss. Er beklagt deshalb ein wenig den Trainingsbetrieb, weil er in Jovic und Lucic zwei Spieler aus der Rotation ersetzen muss. "So stehen mir im Training nur zehn Spieler zur Verfügung", sagt er und fügt pragmatisch hinzu: "So ist halt das Leben."

Verletzungen kann der Coach akzeptieren, aber nicht, dass einige Spieler, wie gegen Tübingen, ihre individuellen Vorstellungen über den Teamgedanken stellen. "Darüber müssen wir reden", sagte Djordjevic. Vielleicht auch darüber, dass sein Team dem Jungen einen neuen Ball mit seinen Unterschriften schenkt. Denn der blieb auch noch unauffindbar, als alle Spieler die Halle längst verlassen hatten.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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