Als Justin Cobbs am Dienstagmorgen mit anderen Spielern das Spielfeld in der Rudi-Sedlmayer-Halle verlässt, applaudiert niemand. Alles ist still, die Kollegen laufen unauffällig neben ihm her. Am Vortag hatte das nach dem Training noch ganz anders ausgesehen, wie Svetislav Pesic glaubhaft versichert. "Justins Mitspieler haben sich richtig gefreut, dass er hier ist und haben ihm das auch gezeigt", berichtet der Cheftrainer des FC Bayern München, mit Schulterklopfen, manche hätten applaudiert. Der neue Spielmacher hatte sich in der ersten Hälfte dieses Jahres bei den Skyliners Frankfurt mit formidablen Leistungen einen Namen gemacht und sich so den Respekt seiner Kollegen erworben. "Aber man muss sehen, wie schnell er sich hier in München einfindet, bei uns ist der Druck sehr viel höher als in Frankfurt, wo alle schon zufrieden sind, wenn sie das ein oder andere Spiel gewinnen", fügte Pesic schnippisch an.
Bereits an diesem Mittwoch wird Cobbs zum ersten Mal das Trikot der Bayern im Ligaspiel in Tübingen (20.30 Uhr) überstreifen. "Ich hoffe, dass ich der Mannschaft durch meine Leidenschaft und meine Energie gleich helfen kann", sagt der US-Amerikaner aus Los Angeles. Trainer Pesic hatte Cobbs schon im Sommer nach München holen wollen, doch nachdem Spielmacher Alex Renfroe bereits verpflichtet war, hätte er ihm kaum Spielzeit gewähren können. Cobbs wechselte also in die Türkei zu Aufsteiger Istanbul BSB. "Vasilije war ja auch noch da", hebt Pesic hervor. Vasilije Micic galt im Sommer noch als das größte Versprechen im Bayern-Kader, ein Hochbegabter, gesegnet mit großem Potenzial, aber auch noch mit Flausen im Kopf. Von seinem 21-jährigen Landsmann aus Serbien hält der Bayern-Trainer nach wie vor sehr viel, sogar eine Karriere in der NBA sei möglich, schwärmt Pesic. "Vasilije ist athletisch, mit 1,95 Meter groß gewachsen. Er ist ein echter Creator." Ein kreativer Spieler also, der seine Mitspieler mit Zauberpässen besser machen und wenn es darauf ankommt auch noch selber punkten kann. Solche Spieler in diesem Alter sind selten in Europa. "Er spielte stark bis zu seiner Verletzung in der vergangenen Saison", schränkt Pesic allerdings ein.
Bis zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich Micic so, wie sich sein Trainer das vorstellte. Doch dann flog der Jungprofi im Frühjahr so unglücklich auf den Arm, dass er seiner Form in den Playoffs hinterherlief. Als er dann hoffte, dass in der Sommervorbereitung wieder der Alte wird, verletzte er sich daheim in Serbien so schwer am Sprunggelenk, dass er die gesamte Vorbereitung und die ersten Spiele verpasste. Mehr als zwei Monate musste er bis zu seiner ersten Bundesliga-Partie warten.
Langsam und behutsam wollte der FCB-Coach Micic wieder an sein altes Niveau heranführen. "Mir wäre es lieber gewesen, wenn er geblieben wäre und versucht hätte, sich bei uns durchzubeißen" sagt Pesic. Doch der Spielmacher hatte andere Pläne, er fühlte sich gesund, wieder vollständig genesen. Und er wollte spielen, nicht nur hin und wieder einige Minuten. "Doch das konnte ich ihm nicht garantieren, weil wir in Renfroe und Gavel zwei starke Aufbauspieler haben", betont Pesic.
Er ließ seinen Lieblingsspieler aber erst gehen, nachdem festgestanden hatte, dass er dafür Cobbs bekommt. "Justin wird bei uns eher mit seinem Extrapässen auffallen als selber zu punkten", sagt Pesic voraus. Cobbs selber sieht sich ebenfalls in dieser Rolle. Schon in seinen ersten Einheiten hat der 24-Jährige gelernt, "dass der Coach sehr defensivorientiert ist", wie er findet. "Über die Offensive hat er kaum geredet, da lässt er uns viele Freiheiten." Am Ende sagt er dann noch einen Satz, den Svetislav Pesic gerne hören wird: "Ich möchte hier in dieser Saison mit harter Verteidigung und großer Hingabe einige Pokale gewinnen." Seine Mitspieler würden jetzt wohl wieder applaudieren.