Basketball:Harter Abend

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Ist es zu fassen? Danilo Barthel, Nick Johnson, Maxi Kleber und Reggie Redding (von links) wirken ratlos. Am Ende stand die zweite Saisonniederlage. (Foto: Wolter / Imago)

Sorglos, kopflos, punktlos: Bei der Niederlage in Bonn vernachlässigt der FC Bayern München lange die Defensivarbeit und muss dann erkennen, dass nur Zugang Nick Johnson echte Führungsqualitäten beweist

Von Ralf Tögel, München

In der Regel nehmen Trainer ein kleines Täfelchen zur Hand, wenn sie in einer Auszeit auf ihre Mannschaft einwirken wollen. Sie kritzeln dann mit einem abwaschbaren Stift kryptische Laufwege darauf, erklären mit fester Stimme irgendwelche Spielzüge oder Finten, versuchen das Personal wachzurütteln. Denn so ein Time-out, von dem jede Mannschaft in der Basketball-Bundesliga (BBL) fünf pro Partie (zwei in der ersten, drei in der zweiten Halbzeit) nehmen darf, kommt meist dann zur Anwendung, wenn es nicht rund läuft im eigenen Team. Oder wenn es gilt, den Lauf des Gegners zu stoppen. Sasa Djordjevic, der Trainer des FC Bayern München, benötigte kein Täfelchen. Stimme und Mimik genügten ihm, als er seine Spieler in der Partie bei den Baskets Bonn zur Seitenlinie bat. Denn die waren gerade im Begriff, eine vermeintliche Überlegenheit etwas sorglos aus der Hand zu geben.

Es lief die erste Minute des zweiten Viertels, den ersten Abschnitt hatten die Gäste mit 27:23 für sich entscheiden, es war ein rasantes Hin und Her. Die Münchner hatten sich auf einen offenen Schlagabtausch eingelassen, das war sehenswert, aber nicht zielführend, denn der FCB vernachlässigte die Arbeit in der Defensive. Djordjevic sieht aber genau darin die Basis für ein erfolgreiches Spiel, also bat er die Seinen nach 55 gespielten Sekunden im zweiten Abschnitt zur Kurzbesprechung. Er blickte finster, bellte ein paar eindringliche Sätze, fuchtelte mit den Händen - allein es war umsonst. Mit einem 14:2-Lauf drehte Bonn das Spiel, auch eine zweite Auszeit nur zwei Minuten später blieb wirkungslos. Am Ende stand eine überraschend deutliche 83:95-Niederlage, die zwar in der Tabelle keine Auswirkungen hat, die Münchner im Streben um eine möglichst gute Ausgangsposition nach der Hauptrunde aber noch behindern könnte. Das Tableau hat sich nämlich dahin gehend geschüttelt, dass vier Teams dem Rest enteilt sind, hinter den verlustpunktfreien Mannschaften aus Bamberg und Ulm stehen das Überraschungsteam aus Bayreuth und eben die Bayern mit je zwei Niederlagen. Bonn, das nun auf den fünften Platz geklettert ist, hat schon weitere sechs Punkte Abstand zur Spitze.

Diese Niederlage tat weh, auch weil sich der bayerische Promi-Klub bei Misserfolgen üppiger Häme sicher sein darf. Wie weh, konnte man am Trainer sehen, der mit seinem ersten technischen Foul eine Premiere in der Bundesliga erlebte. Djordjevic, der mit Niederlagen bislang einen nonchalanten Umgang pflegte, war einige Male recht ungehalten am Spielfeldrand. Viele hat er in seinem neuen Amt allerdings auch nicht hinnehmen müssen - das Malheur von Bonn war die zweite der laufenden Bundesligasaison. Zu den Referees wollte er hernach nichts sagen, außer, dass diese "einen harten Abend" gehabt hätten. Der Serbe lobte lieber den Gegner, dessen "Konzentration, Spannung" und Willen, Bonn habe den Sieg daher verdient. Es gab aber schon noch ein paar weitere Erkenntnisse zu gewinnen, etwa die, dass die Münchner nach dem Sieg im Spitzenspiel gegen Bayreuth vom Wochenende diesen Gegner wohl etwas zu leicht nahmen. Vor allem unter den Brettern zeigten die Bonner mehr Entschlossenheit, den Bayern gelang es in der ersten Halbzeit nicht, Center Filip Barovic, der seine gesamten 13 Punkte bis zur Pause erzielte, zu bremsen. Dank ihrer individuellen Klasse konnten die Gäste die Partie zwar bis zum Schluss offen gestalten, die Rückstände aus dem zweiten und dritten Viertel (16:26 und 12:20) waren aber nicht mehr aufzuholen. Auch weil die beiden überragenden Akteure in Ryan Thompson (32 Punkte) und Spielmacher Josh Mayo (21) ein weißes Trikot trugen. Besonders ernüchternd für den Favoriten aus München war, dass sich die Mannschaft einmal mehr von dieser in fremden Hallen für sie typischen Dynamik hatte überrollen lassen: eine aufgepeitsche Kulisse und Bonner Spieler, denen in der Schlussphase wilde Würfe mit hohem Risiko gelangen.

Auffallend war vor allem, dass in Nick Johnson erneut nur ein FCB-Spieler in der Lage schien, sich dem wirksam entgegenzustemmen. Der amerikanische Spielmacher übernahm trotz seiner gerade einmal 23 Jahre in schwierigen Situationen Verantwortung und war mit 19 Punkten bester Schütze. Ansonsten wusste nur noch Maxi Kleber zu überzeugen, der ebenfalls mit zehn Zählern zweistellig punktete und sechs Rebounds einsammelte. Akteure wie Bryce Taylor (6), Reggie Redding (10) oder Anton Gavel (5), allesamt für eine Führungsrolle prädestiniert, tauchten in den entscheidenden Momenten unter. Das Spiel in Bonn dürfte Djordjevic die Notwendigkeit vor Augen geführt haben, in diesem Bereich nachzubessern. Seit dem Weggang von Point Guard Alex Renfroe ist schließlich wieder ein Platz frei.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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