Basketball:Erstes Endspiel

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Überlastet: Die FCB-Guards Anton Gavel und Nick Johnson (re. gegen Ulms Braydon Hobbs) bekommen zurzeit kaum eine Verschnaufpause. (Foto: imago/Sven Simon)

Neun Tage nach dem 79:87 in der Bundesliga trifft der FC Bayern im Eurocup wieder auf Ulm. Mehr noch als ums Viertelfinale geht es darum, schleunigst die eigenen Launen in den Griff zu bekommen

Von Matthias Schmid, München

Die Nacht von Montag auf Dienstag hat Tim Ohlbrecht in München verbracht. Notwendigerweise. Der Ulmer Basketballer musste sich die kaputten Bänder in seinem Knie vom Spezialisten Stefan Hinterwimmer zusammenflicken lassen, nachdem er sich beim 87:79-Auswärtssieg am zweiten Weihnachtsfeiertag im Audi Dome verletzt hatte. Man wird nie erfahren, ob ihn auch ein Basketballer des FC Bayern am Krankenbett besuchte. Fast zeitgleich mit den Münchner Profis machte sich Ohlbrecht wieder auf den Weg zurück über die A8 nach Ulm. Denn an diesem Mittwoch (20 Uhr) stehen sich die beiden Mannschaften im Eurocup gegenüber, es ist das erste Spiel der Zwischenrunde mit 16 Teams. Die ersten beiden der Vierergruppe steigen ins Viertelfinale auf. "Wir wollen den Ulmern gleich ein Spiel stehlen, damit wir mit Selbstvertrauen in die anstehenden Heimspiele gehen können", sagt Marko Pesic. Der Münchner Sportdirektor gibt das Viertelfinale offensiv als Ziel aus, "ansonsten könnten wir das alles ja gleich als Vorbereitungsspiele deklarieren", wie er es ausdrückt.

Als Wiedergutmachung für die Niederlage im Heimspiel vor knapp zwei Wochen will er die Partie beim ungeschlagenen Tabellenführer der Basketball-Bundesliga aber nicht verstanden wissen. "Wir können das Spiel ja nicht mehr wiedergutmachen, weil es ein anderer Wettbewerb ist", sagt Pesic. Er erwartet harte Duelle gegen Ulm, Khimki Moskau und Panevezys aus Litauen. "Jedes Spiel wird wie ein Endspiel für uns sein", fügt der 40-Jährige hinzu.

Die Münchner wollen nicht nur eine Runde weiterkommen, sondern dabei auch ihr Spiel entwickeln und auf ein höheres Niveau heben. Dass der FC Bayern über eine überaus begabte Mannschaft verfügt, hat er in dieser Spielzeit schon häufiger gezeigt. Doch die Launen, die fast unerklärlichen Leistungsschwankungen innerhalb einer Partie konnte der neue Trainer Sasa Djordjevic den Spielern bisher noch nicht austreiben. Jüngstes Beispiel war der bisweilen verstörende Auftritt beim Sieg gegen die abstiegsbedrohten Braunschweiger. Selten hatte man den hochdekorierten und eigentlich entspannten Djordjevic hinterher so erzürnt gesehen. "Wenn eine Mannschaft in so einer Halle, vor solchen Fans einen Trainer braucht, der sie in der Halbzeit anschreit, damit sie aufwacht, kann das nicht sein", schimpfte der Serbe und fügte hinzu: "Was für eine schlechte Einstellung, kein Feuer, kein Kampf."

Pesic begegnet der kleinen Wutrede entspannt und findet die Aussetzer des Teams nicht "außergewöhnlich", wie er sagt. "Wir haben eine neue Mannschaft, einen neuen Trainer, das braucht Zeit, für uns ist deshalb jedes Spiel in dieser Phase wichtig, um zusammenzuwachsen."

Bei der Identitätsfindung sind die Ulmer schon sehr viel weiter. Trainer Thorsten Leibenath trainiert den Klub seit mehr als sechs Jahren und kann in dieser Spielzeit mit einem Kader arbeiten, der sich im Vergleich zur Vorsaison nur punktuell verändert hat. Ulm bewegt sich schon nahe am Optimum. Dennoch sieht sich der 41-Jährige im Eurocup nur als Außenseiter: "Moskau ist das stärkste Team, aber München ist nicht weit weg." Moskau empfängt der FC Bayern zum ersten Heimspiel am 11. Januar.

Khimki ist eine sehr erfahrene Mannschaft, zusammen kommen die Spieler auf 414 NBA-Partien. Prominentester Name ist Alexey Shevd, ehemals Profi der Houston Rockets und derzeit der teuerste Basketballer in Europa. Zehn Millionen Dollar zahlen die Russen dem Spielmacher für seinen bis Sommer 2018 laufenden Dreijahresvertrag. Über einen Transfer denkt auch der FCB nach. Nach dem Abschied von Aufbauspieler Alex Renfroe fehlt auf den beiden Guard-Positionen ein Spieler, der Anton Gavel und Nick Johnson entlasten könnte. "Doch ob wir noch jemanden holen, hängt auch davon ab, ob er ins Konzept von Sasa passt", versichert Pesic.

Tim Ohlbrecht wird den Ulmern gegen die Bayern in jedem Fall fehlen. Beim Sieg in München konnten die Ulmer zusätzlich auch noch die Absenz von Spielmacher Per Günther (Nackenprobleme) ausgleichen. Die Entwicklung der Schwaben beeindruckt auch Pesic, vor allem die Tatsache, dass das Umfeld Ruhe bewahrte, als Ulm in der Hinrunde der Vorsaison mehr Spiele verlor als gewann. "Sie haben sich da nicht aus dem Konzept bringen lassen", lobt Pesic. Am Mittwoch sollen die Ulmer aber gefälligst wieder ihm gratulieren.

© SZ vom 04.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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