Basketball:Erste Handschriftprobe

Lesezeit: 3 min

Nach dem mäßigen Auftritt gegen Gotha zeigt der Bundesliga-Tabellenführer und Meisterschaftsfavorit FC Bayern gegen Jena, dass er unter Coach Dejan Radonjic auf dem Weg zur Playoff-Form ist.

Von Ralf Tögel, München

Er fliegt wieder: Hier stopft Jared Cunningham den Ball mit dem Rücken zum Korb per Dunking hinein, ein eher seltenes Kunststück in der Bundesliga. Jenas Julius Wolf, der auch schon für den FCB spielte, scheint es zu gefallen. (Foto: Christian Kolbert/imago)

Was war das denn? Diese Frage musste sich jeder stellen, der am Wochenende die Basketballer des FC Bayern bei der Arbeit beobachtete. Erst der 102:80-Holpersieg mit unterirdischer erster Halbzeit gegen Gotha, der sich lückenlos in die schwachen Auftritte der vergangenen Wochen fügte. Und dann, nur zwei Tage später, der Galaauftritt beim 101:78-Erfolg gegen Jena, wobei ein deutlich talentierterer Gegner in der ersten Halbzeit an die Wand gespielt wurde.

Vor allem nach den ersten 20 Minuten der Gotha-Partie schoss dem Augenzeugen die Frage in den Kopf, ob es tatsächlich eine so gute Idee war, den Trainer auszutauschen, unter dem die Verantwortlichen trotz positiver Ergebnisse eine negative Entwicklung attestierten. Die Münchner spielten uninspiriert, ohne sichtbare Struktur, kopflos, mit einer lustlosen Abwehr, einer miserablen Wurf- und bemerkenswert hohen Fehlerquote. Die Unruhe der vergangenen Wochen, das Einstudieren einer neuen Abwehr, das harte Training, der neue Mann auf dem Kommandoposten - all das schien in den Köpfen der Spieler zu sitzen. Die stark abstiegsgefährdeten Thüringer jedenfalls setzten dem hoch favorisierten Tabellenersten auf eigenem Terrain derart zu, dass die Partie nach zwischenzeitlichem Rückstand zur Halbzeit völlig offen war. Erst nach der Pause besann sich der FCB auf seine Fähigkeiten, fand dank der individuellen Qualität langsam den Rhythmus und drehte das Spiel in den folgenden zehn Minuten in einen standesgemäßen Sieg - gegen einen Gegner, der dem Münchner Klub in allen Belangen unterlegen ist. Glanzstück war den Bayern jedenfalls keines gelungen, noch weniger die erhoffte Wende im Spiel des Titelaspiranten, die der neue montenegrinische Trainer Dejan Radonjic ja initiieren soll.

Weshalb Co-Trainer Emir Mutapcic vor der Sonntagspartie gegen Science City Jena offen zugab, dass sich die Mannschaft längst nicht in Playoff-Form befinde. Doch dann gaben die Spieler eine Antwort: Gegen Jena lief eine hoch motivierte, blendend aufgelegte Münchner Auswahl auf, die plötzlich wieder all das aufs Parkett zauberte, was sie zum Topfavoriten auf die deutsche Meisterschaft macht.

Die schwache Quote vor der Dreierlinie? Als hätte es sie nie gegeben. Jena-Coach Björn Harmsen hatte dies noch als erfolgversprechendes Stilmittel ausgemacht, man werde die Münchner von den Körben weghalten, sie so zwingen, aus der Entfernung zu werfen. Was eigentlich gut gelang, dummerweise trafen die Bayern mit der Präzision eines Gehirnchirurgen - egal wo sie standen. Vor allem der in den vergangenen Wochen auffällig schwächelnde Jared Cunningham versenkte sofort vier von vier Versuchen, der FCB ließ den Gästen von der ersten Sekunde an keine Chance.

Alles, was gegen Gotha noch schlecht gemacht wurde, schienen die Bayern-Spieler nun vor den Augen von Maxi Kleber, der seinem ehemaligen Klub einen Besuch abstattete, gutmachen zu wollen. Das gelang im ersten Viertel sogar nahe der Perfektion. Eine gallige Defense, das schnelle und traumhaft sichere Umschalten in den Angriff, überfallartige Fast Breaks, sichere Würfe, schnelles Kombinationsspiel, die Bayern hatten Jena mit 33:17 Punkten nach den ersten zehn Minuten demontiert. Dabei spielten die Gäste nicht einmal schlecht, allein die Münchner ließen nichts zu. Der Rebound funktionierte unter beiden Körben, dem Gegner wurde kein leichter Wurf gegönnt, die Frage nach dem späteren Sieger war schnell beantwortet. Und, viel wichtiger, da war sie erstmals zu sehen: die Handschrift von Dejan Radonjic.

Die Wurfquote freilich sank nach der Pause bald auf ein irdisches Niveau, die Bayern machten mehr Fehler und die Gäste konnten den Rückstand vor allem im dritten Viertel noch einigermaßen erträglich gestalten. Dennoch war den FCB-Spielern bis zum Schluss die Freude an der Arbeit anzumerken, die auch in den üblichen Kunststückchen Ausdruck fand. Etwa als Cunningham mit dem Rücken zum Korb den Ball per Dunk durch den Ring stopfte, nach einem Alley-oop-Anspiel von Anton Gavel. Top-Punktesammler Cunningham (23) sprach hernach von einem "freieren Spiel" unter Radonjic, was wohl ein Hinweis auf den sehr systemischen Basketball des Vorgängers war. Auch bekommen die Spieler aus der zweiten Reihe, wie Alex King oder Anton Gavel, deren Rollen immer kleiner wurden, unter Radonjic wieder deutlich mehr Spielzeit. Talent Karim Jallow kam schon in der ersten Halbzeit.

Nach der spürbaren Verunsicherung und den zuletzt mäßigen Leistungen war es das ersehnte Signal, dass sich doch noch alles zum Guten wenden kann. Und ein Hinweis, dass die Mannschaft auf dem Weg zur Playoff-Form ist - und ja, dass sich da doch was tut.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: