Basketball:Das zweite Gesicht

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"Dämliche Fehler": FCB-Trainer Sasa Djordjevic kündigte ein ernstes Gespräch mit seinem Spielmacher Anton Gavel (im Bild) an. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Vor dem Bundesliga-Gipfel gegen Bamberg lässt sich der hoch überlegene FC Bayern gegen Tübingen gehen - und macht seinen Coach trotz des 82:70 "stinksauer"

Von Matthias Schmid, München

Bryce Taylor stammt aus Kalifornien, aus Los Angeles. Der Basketballer des FC Bayern ist also ein US-Boy von der Westküste. Das ist wichtig zu erwähnen, denn am Samstagabend schlurfte dieser US-Boy von der Westküste mit einem Turnbeutel aus der Kabine, auf dem ein Wahrzeichen der Ostküste zu sehen ist: die New Yorker Freiheitsstatue. Normalerweise mögen sich die Menschen aus den gegenüberliegenden Regionen der Vereinigten Staaten nicht sehr, die Kalifornier nehmen für sich in Anspruch, lässig und aufgeschlossen zu sein, open minded eben. Und die vornehmen Ostküstler halten sich sowieso für etwas Besseres. Bryce Taylor, der Kapitän der Münchner Basketballer, führte gewissermaßen plastisch die beiden Gegensätze vor, die sein Trainer Sasa Djordjevic nach dem 82:70-Sieg gegen die Walter Tigers Tübingen moniert hatte, "zwei komplett verschiedene Gesichter, die mich stinksauer machen", wie der Serbe schimpfte.

Die ambitionierten Münchner hatten gegen den Abstiegskandidaten aus Württemberg furios begonnen, sie führten nach dem ersten Viertel bereits 30:10, sie spielten exzellent, sie spielten kunstvoll, so rasant, als hätte jemand auf die Vorspultaste gedrückt. "Wir waren auch in allen Details überlegen", lobte der Bayern-Cheftrainer. Zur Pause hatte seine Mannschaft den Vorsprung auf 28 Punkte ausgebaut. Unter den Zuschauern kam sogar Mitleid auf mit den hoffnungslos unterlegenen Tübingern, am liebsten hätte man jeden einzelnen Spieler in den Arm genommen und getröstet. Aber das war dann doch nicht notwendig, denn dies erledigten die Bayern-Profis schon selbst. So stark wie sie begonnen hatten, ließen sie nach dem Seitenwechsel nach. Sie ließen sich die Bälle klauen und trafen ihre Würfe nicht mehr. "Wir haben viel zu lässig gespielt und die Konzentration verloren", merkte Taylor an. Tübingen holte Punkt um Punkt auf - eineinhalb Minuten vor dem Spielende war Bayerns Vorsprung auf acht Zähler zusammengeschmolzen.

Eine tiefschürfende Erklärung für den Leistungsabfall in der zweiten Hälfte konnte Djordjevic jedoch nicht finden. "Ich weiß es nicht", sagte er ehrlich, "wir müssen vor allem unterm Korb physischer spielen." Aber als Nachweis oder gar Entschuldigung ließ er die Probleme beim sogenannten Low-Post ebenso wenig gelten wie das Eurocup-Spiel in Malaga drei Tage davor, die Belastung einer solch intensiven Begegnung, die Strapazen der An- und Rückreise. "Was sollen da erst die Euroleague-Mannschaften sagen?", fragte Djordjevic. Der deutsche Meister Brose Bamberg zum Beispiel, Bayerns großer Rivale um die Meisterschaft, musste in der vergangenen Woche innerhalb von drei Tagen gleich zwei Mal im besten europäischen Wettbewerb antreten.

Am nächsten Sonntag steht nun das erste Duell der beiden Bundesliga-Schwergewichte in Oberfranken an. Während Bamberg am Donnerstag gegen Mailand wieder international spielen muss, haben die Münchner frei. Sie können sich in Ruhe für das Spiel präparieren. Doch ob das nun ein Vor- oder ein Nachteil ist, darüber streiten sich die Gelehrten. "Ein enges Europapokalspiel hilft dir immer, um als Mannschaft zu Beginn der Saison weiter zusammenzufinden", sagt Djordjevic, während Taylor die Müdigkeit in Kopf und Beinen nach solchen Partien hervorhebt und eher für eine spielfreie Woche plädiert.

Einig sind sich die beiden aber bei der Bewertung von Nick Johnson, sie freuen sich auf den neuen Spielmacher, den der FC Bayern am Samstag vorgestellt hat. 28 Mal lief der 23-jährige Amerikaner in der NBA für die Houston Rockets auf. Ob er schon gegen Bamberg das rote Bayern-Trikot tragen wird, ließ Djordjevic offen, er brauche noch Zeit, vor allem auf einer so wichtigen Position. "Aber Nick kann ein großartiger Spieler in Europa werden, wenn er hier alles annimmt", sagte der 49-jährige.

Dass er Flausen auch bei älteren Spielern nicht duldet, hatte er zuvor unterstrichen. Anton Gavel hatte binnen weniger Sekunden im Schlussviertel zwei technische Fouls wegen Meckerns kassiert. "Das ist nicht zu akzeptieren", zürnte Djordjevic, "erst recht nicht von einem so erfahrenen Spieler." Er kündigte ein ernsthaftes Gespräch an. "Denn so ein dämlicher Fehler kann teuer werden in einem Spiel." Gegen Tübingen konnten sich die Münchner ihn aber leisten.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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