Basketball:Auf der Suche

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Der FC Bayern München ist Gegnern wie dem Bundesliga-Letzten Crailsheim Merlins mittlerweile weit entrückt. Beim deutlichen 103:66-Auswärtserfolg ist aber auch zu sehen, dass die Mannschaft immer noch dabei ist, sich zu finden

Von Ralf Tögel, München

Ingo Enskat hatte sich sichtlich bemüht, seriös zu bleiben, schließlich gebot das alleine schon die Situation. Enskat ist der neue Trainer der Crailsheimer Basketballer - seit einer Woche. Die Merlins hatten mit der Entlassung von Willie Young auf die sportliche Talfahrt reagiert, die den Aufsteiger ans Tabellenende geführt hatte. Doch nun musste er lachen. Enskat wurde vor dem Spiel gegen den deutschen Meister gefragt, ob er sich denn etwas habe abschauen können vom FC Barcelona. Die Katalanen hatten die Bayern bekanntlich am Donnerstagabend mit 99:77 in deren Halle deklassiert, doch Enskat betrat dieses glatte Parkett erst gar nicht, bewies vielmehr feinen Humor: "Wir suchen unseren eigenen Weg." Dass der FC Bayern keine Mannschaft ist, mit dem sich die Crailsheimer ernsthaft messen können, verdeutlichten die hoch überlegenen Gäste mit einem 103:66-Sieg.

Schnell wurde deutlich, dass die Münchner den Auftrag mit in die Halle gebracht hatten, den Gegner schnell über die Kräfteverhältnisse zu informieren. Zugang Bo McCalebb stand in seinem zweiten Spiel zum zweiten Mal in der Startformation. Der amerikanische Spielmacher weiß genau, dass es an ihm liegt, ob sein vorerst auf vier Wochen befristeter Vertrag eine Verlängerung erfährt. Nach dem misslungenen Euroleague-Debüt vor drei Tagen gelang der erste Auftritt in der Bundesliga deutlich besser. Vor allem in Eins-gegen-eins-Situationen zeigte der pfeilschnelle McCalebb seine Qualitäten, wenn er mit viel Zug zum Korb ging. Freilich war auch zu erkennen, dass Luft nach oben bleibt, die Argumente für eine Vertragsverlängerung sind nicht nur wegen seiner 13 Punkte und vier Vorlagen indes gestiegen.

Die Münchner verteidigten giftig, was viele Balleroberungen und eine schnelle 6:0-Führung nach sich zog. Allerdings gestatteten sie dem klar unterlegenen Gegner durch schlampige oder unkonzentrierte Aktionen ebenso, nicht zu weit ins Hintertreffen zu geraten. Die 24:15-Führung nach den ersten zehn Minuten schien dennoch alle Prognosen zu bestätigen, danach jedoch brachte sich der deutsche Meister mit seiner derzeit größten Schwäche selbst in Bedrängnis: dem Wurf aus der Distanz.

Knapp eineinhalb Minuten vor dem Ende der ersten Halbzeit fiel der erste Dreier durch die Reuse, auch noch abgefeuert vom Center. John Bryant hat zwar ein feines Händchen, für die Distanzwürfe gibt es aber andere Spezialisten. Doch die hatten bis zur Pause elf Versuche vergeben - eine kaum zu unterbietende Quote. Der Meister gestattete es dem Tabellenletzten dadurch sogar mit 39:32 Punkten in Führung zu gehen, auch weil Merlin-Topscorer Sean Mosley (18) mit zwei Dreiern hintereinander Anschauungsunterricht gab. Doch die Bayern wehrten sich, angeführt von Münchens bestem Werfer Nihad Djedovic (18) und Bryant (10/11 Rebounds) stellten sie bis zur Halbzeit mit einer 47:39-Führung wieder einen standesgemäßen Abstand her.

Wie sehr sich Trainer Svetislav Pesic bis dahin über den Auftritt seiner Mannschaft freute, konnte man Mitte des dritten Viertels gut sehen, als man kurz um die Gesundheit von Vasilije Micic bangen musste. Der hatte mit einer schlampigen Aktion Pesics Zorn hervorgerufen, der stürmte wutentbrannt aufs Spielfeld und beschimpfte seinen Point Guard. Wohlgemerkt führte sein Team zu diesem Zeitpunkt 62:49. Aber die Münchner sehen sich bekanntlich nicht im Konkurrenzkampf mit Crailsheim, was sie noch deutlich zu zeigen wussten. Die zweite Halbzeit ging mit 56:27 Punkten an die Münchner, was den Coach noch etwas versöhnte: "Gegen eine engagierte Mannschaft und deren Motivation, Emotionen und die ausverkaufte Halle hat es gedauert, in unseren Rhythmus zu kommen."

Über eines aber hat sich Pesic besonders gefreut: das Comeback von Paul Zipser. Der werde nun mit Bedacht ins Team eingebaut, eine lohnende Aufgabe. Zipser hatte sich in den Playoffs im vergangenen Mai verletzt, nun stand er 6,28 Minuten auf dem Feld - und erzielte zehn Punkte.

© SZ vom 24.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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