Baseball:Mann für Extremsituationen

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Vor zwei Monaten wurde Philipp Howard Trainer. Seitdem haben die Haar Disciples einen Lauf.

Von Christoph Leischwitz, Haar

Diese Niederlage gehe auf seine Kappe, sagte Philipp Howard, und fasste sich kurz an dieselbe. Der Spruch ergab trotzdem nur bedingt Sinn. Der eingewechselte Pitcher Lukas Steinlein hatte am Samstag im ersten Spiel gegen die Paderborn Untouchables einen Krampf in der Wade bekommen und musste gleich wieder ausgewechselt werden. Und dagegen kann der Trainer eines Baseball-Bundesligisten ja nun mal nicht viel machen, oder? Er habe davor Kevin Trisl zu lange auf dem Werferhügel gelassen, fand indes Howard, und deshalb habe der Paderborner Tristan Gerdtommarkotten es geschafft, einen sehr, sehr langen Homerun für drei Punkte zu schlagen. Paderborn gewann 7:4. "Wenn wir verlieren, verliere ich. Sie haben ihr Bestes gegeben, ich hab's verloren", sagte Howard streng gegen sich selbst.

"Er arbeitet sehr akribisch", sagt Sportdirektor Christopher Howard - Philipps Bruder

Wenn die München-Haar Disciples Anfang September im Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft stehen werden, wird Howard gerade einmal 30 Jahre alt. Haar ist für ihn seine erste dauerhafte Station als Cheftrainer. Menschen, die ihn gut kennen, beschreiben ihn als sehr selbstkritisch. "Ob ich alles schon richtig mache, weiß ich nicht. Ich lerne viel durch Selbermachen", sagt er. Und es funktioniert.

Seitdem Howard die Mannschaft vor gut zwei Monaten übernommen hat, haben die Disciples zwölf Spiele gewonnen und nur zwei verloren, die zweite Niederlage gab es am Samstag im Interleague-Spiel gegen Paderborn. Mitten in der Saison mal eben einen neuen Cheftrainer zu installieren, ist im Baseball selten und alles andere als leicht. US-Coach Don Freeman war Ende Mai überraschend aus privaten Gründen zurückgetreten und in die USA gereist. Ebenso überraschend war er Anfang Juli plötzlich Trainer bei den Berlin Flamingos, einem Zweitligisten.

Freeman hatte viel Erfahrung vorzuweisen. Aber der selbstkritische Howard kann das eigentlich auch. Er war Nationalspieler, hat in den USA im College gespielt und Trainern assistiert, wurde mehrmals deutscher Meister mit den Regensburg Legionären. Zusammen mit seinem Bruder Christopher, dem Sportdirektor der Disciples, trägt er einen in der Branche sehr bekannten Nachnamen. Trotzdem musste Christopher den Bruder erst einmal überzeugen, den Job als Chefcoach zu übernehmen.

Philipp Howard redet auch nicht sehr viel über seine Arbeit. Das Potenzial der deutschen Spitzenteams liegt mittlerweile nah beieinander, er sagt, er wolle seinen Spielern das Vertrauen vermitteln, immer an sich zu glauben - auch in engen Situationen, wenn das Spiel zur Nervensache wird. In der Interleague gewannen die Disciples beide Auswärtsspiele in Solingen, eines nach einem extrem langen Tag erst nach 13 Innings.

"Er arbeitet sehr akribisch", sagt Bruder Christopher. Geändert habe sich im Training nicht viel, außer, dass Philipp permanent versuche, die Mannschaft "aus der Komfortzone zu holen", wie der Sportdirektor das nennt. "Er pusht sie immer über das hinaus, was sie schon gewohnt sind." Gar nicht mal so sehr physisch, sondern mental. Wenn im Training zum Beispiel ein Ball aufgenommen und weiter geworfen werden soll, dann rollt der nächste schon an. Die Extremsituation soll zur Normalität werden. Das alles basiert auf Erfahrungen mit der Nationalmannschaft und aus Colleges in den USA. "Unser Ziel ist, Dritter zu werden, und da steht nicht viel im Weg", sagt Howard. Die neu eingeführte Interleague-Zwischenrunde gibt ihm zusätzlich Zeit, sich selbst als Trainer besser kennenzulernen, bevor es ernst wird.

Auch das zweite Spiel am Samstag gegen Paderborn läuft recht behäbig, die Disciples führen lange knapp. Als die Untouchables zum 2:2 ausgleichen, legen die Disciples noch einmal zu und gewinnen schließlich 9:3. In den kommenden Wochen wird es viele enge Spiele, viele spannende Situationen wie am Samstag geben. Die nächsten wohl schon am übernächsten Wochenende, auswärts, im niedersächsischen Dohren. Doch es scheint, als seien Trainer und Spieler dafür gerüstet.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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