Badminton:Schweigerin aus Dnipropetrowsk

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Auch Natalya Voytsekh kann den Fall von Erstligist Neuhausen nicht stoppen

Von Sebastian Hepp, München

Die Frage hat Natalya Voytsekh nicht erwartet. Sie hat wohl nicht einmal damit gerechnet, nach ihrem klaren Zweisatzerfolg gegen Anika Dörr (21:14, 21:6) überhaupt in den Fokus des Interesses zu rücken. Ob es ein gutes Gefühl sei, bei dieser deutlichen Schlappe gegen Dortelweil (1:5) wenigstens den Ehrenpunkt für Badminton-Erstligist Neuhausen-Nymphenburg gemacht zu haben? Die Ukrainerin schweigt erst mal, dann überlegt sie, und schließlich sagt sie etwas, das über ihren Charakter mindestens so viel verrät wie ihr eher zurückhaltendes Auftreten auf dem Court: "Meine Gegnerin hat sich im ersten Satz eine Verletzung am Bein zugezogen, deshalb ist meine Freude über den Sieg nur halb so groß. Mir wäre es lieber gewesen, ich hätte verloren und dafür hätte unser Team gewonnen", lautete, frei übersetzt, ihre Antwort auf Englisch.

Das kann man aus Sicht des TSV nur unterstreichen: Die unerwartete Heimniederlage gegen den SV Fun Ball Dortelweil in dieser Partie der Kellerkinder tat weh. Die bisher sieglose Neuhauser Equipe tauschte den Platz mit Dortelweil und ist nun Letzter; zumal sie am Dienstagabend auch ihr Auswärtsspiel gegen Rosenheim klar mit 1:5 verlor. In seiner ersten Erstliga-Saison hat der TSV kaum noch Aussichten auf den sportlichen Klassenerhalt. Laut Teammanager Philipp Blonck spielten die meisten seiner Akteure im Kellerduell in den entscheidenden Phasen "zu verkrampft".

Das galt auch für die im Mixed diesmal vergleichsweise statisch wirkende ukrainische Nationalspielerin Voytsekh, der an der Seite von Patrik Beier gegen das gut aufgelegte Dortelweiler Duo Fabian Holzer/Cisita Jansen beim 15:21, 15:21 ungewöhnlich viele leichte Fehler unterliefen. Ihr manchmal etwas phlegmatisch wirkendes Spiel mit mangelndem Engagement gleichzusetzen, damit würde man ihr jedoch Unrecht tun, wie Neuhausens Kapitän Manuel Heumann betont. "Fehler und Niederlagen lassen sie nur scheinbar kalt, wer sie ein bisschen kennt, der weiß, dass es dann in ihr rumort." Nach ihrer Mixed-Niederlage war das gut zu beobachten: Da saß sie in sich zurückgezogen und mit leerem Blick abseits ihrer Mannschaftskollegen auf der Bank.

Niederlagen machen einsam. Und so ist das mitunter auch mit dem Reisen. Jedenfalls, wenn man, wie Voytsekh, als Profi oft alleine auf internationalen Turnieren unterwegs ist, nicht zur absoluten Spitze gehört und manchmal früh ausscheidet. "Ich vermisse dann meine Familie und Freunde", bekennt sie. Immerhin: Der ukrainische Badminton-Verband unterstützt sie finanziell, und an der Seite ihrer Stammpartnerin und Landsfrau Yelyzaveta Zharka belegte die Linkshänderin schon vordere Plätze bei Turnieren in Osteuropa. Das Duo rangiert derzeit um Platz 75 in der Weltrangliste. Das Einzelranking der ukrainischen Meisterin im Mixed von 2012 ist mit Position 138 deutlich schlechter.

Überraschend ist das nicht, denn im Doppel und speziell am Netz liegen ihre Stärken, wie die 1,72 Meter große, eher zierliche Spielerin analysiert. Obwohl sie sich mit ihrer Neuhauser Doppelpartnerin Amelie Oliwa spielerisch gut ergänzt, gelang beiden im Lauf der Ligarunde allerdings noch kein Sieg. Philipp Blonck führt dies auf Abstimmungsprobleme und auch auf die starken Gegner zurück. Gleichwohl ist Natalya Voytsekh für den Teammanager die Allrounderin im Neuhauser Team: Mal kommt sie nur im Einzel zum Einsatz, mal im Doppel oder Mixed. "Im Einzel setzen wir sie meist dann ein, wenn sie auch eine gute Gewinnchance hat", sagt Blonck.

Diese Rechnung ist in der ersten Liga bislang aufgegangen: Fünf von sechs Einzeln konnte die aus Dnipropetrowsk stammende Voytsekh, die im Alter von acht Jahren mit Badminton begann und zu ihren bisherigen Vereinsstationen Nischni Nowgorod (russische Liga) und den deutschen Erstligisten Lüdinghausen zählt, diese Saison bisher gewinnen. Im Neuhauser Team fühlt Voytsekh sich nach eigener Aussage sehr wohl, sie sei "herzlich aufgenommen" worden und habe sich "problemlos integrieren" können. Die Ukrainerin wohnt an Heimspielwochenenden meist bei ihrem Mixedpartner Beier. Für den TSV möchte sie noch möglichst lange spielen, die Unterstützung durch das heimische Publikum tue ihr sehr gut, fügt sie hinzu. Ihre größten sportlichen Ziele liegen aber anderswo. Natalya Voytsekh schweigt eine Weile, überlegt und sagt dann mit einem Leuchten in den Augen: "Die Europaspiele 2015 in Aserbaidschan."

© SZ vom 08.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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