Badminton:Der Musterknabe der Familie

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Tobias Wadenka arbeitet so professionell wie kein zweiter Deutscher beim Erstligisten Neuhausen-Nymphenburg. Im Abstiegsduell gegen Dortelweil möchte er endlich siegen

Von Matthias Schmid, München

Auch an diesem Sonntag wird Tobias Wadenka vormittags wieder die Stühle aus dem Geräteraum holen. Er wird sie wieder ganz akkurat in Dreierreihen in der Halle aufstellen. Und er wird gemeinsam mit seinen Mannschaftskollegen beim TSV Neuhausen-Nymphenburg die beiden Matten ausrollen, auf denen dann um 14 Uhr die Bundesligapartie gegen den SV Fun-Ball Dortelweil beginnt. Alles ist wie immer vor einem Heimspiel des Erstliga-Aufsteigers. Alle helfen mit, Tobias Wadenka selbstverständlich auch. Nur die Kuchen backt er nicht selbst. Das überlässt er anderen.

Der 24-Jährige genießt keine Sonderrolle, nur weil er der einzige deutsche Spieler im Team ist, der sein Hobby professionell ausübt. Alle übrigen widmen sich vornehmlich ihrem Studium, sie spielen Badminton nur nebenbei. Wadenka studiert auch, Sport und Mathematik auf Lehramt, aber nur nebenbei, im Hauptberuf spielt er Badminton. Dass er sich nicht schon längst einem anderen, einem ambitionierteren Erstligisten angeschlossen hat, liegt gerade auch am familiären Ambiente im Klub. Er ist sich nicht zu schade dafür, die temporäre Anlage im Nymphenburger Park Club vor jedem Heimspiel auf- und später wieder abzubauen. Ihm gefällt das sogar. Wadenka imponiert dieser besondere Zusammenhalt. "Wir sind alle miteinander befreundet und spielen schon seit Jahren zusammen", sagt der gebürtige Nürnberger, der mittlerweile am Bundesstützpunkt in Saarbrücken lebt und trainiert.

Deshalb hatte er vor der Saison auch keinen Gedanken daran verschwendet, von hier wegzugehen. Seit 2011 spielt er für den Münchner Klub, "hier erhalte ich eine tolle Unterstützung", sagt Wadenka. Allen war vor der Premiere in der ersten Liga klar, dass der Klassenverbleib nach dem Aufstieg nur schwer zu verwirklichen sein wird. Neuhausen hat bewusst auf einen ausländischen Spitzenspieler verzichtet, den die Kontrahenten meistens im ersten Herreneinzel aufbieten. In Neuhausen spielt Tobias Wadenka an Position eins, ein junger, entwicklungsfähiger Bayer.

"Das gute Gefühl ist zurück": Tobias Wadenka plagte sich lange mit den Folgen eines Patellasehnenrisses herum. Mittlerweile ist er schmerzfrei. (Foto: Johannes Simon)

Bisher wartet er noch auf einen Sieg im Einzel. Das soll sich nun am Sonntag gegen den Tabellenletzten Dortelweil ändern, endlich ist er schmerzfrei, nachdem er sich ein Jahr lang mit den Folgen eines Patellasehnenrisses herumgeplagt hat. "Die Genesung hat sich immer wieder hinausgezögert", sagt Wadenka. Bei der Frage nach dem Warum zuckt er nur mit den Schultern. Die Gründe seien vielschichtig, er hat keine Lust mehr darüber zu sprechen. Es war eine schwierige Zeit, er begann zu verzweifeln, und schlimmer noch: an sich zu zweifeln. Erst als die Schmerzen abnahmen, nahm seine Zuversicht wieder zu. Im letzten Bundesligaspiel des alten Jahres gegen den deutschen Meister SC Lüdinghausen haben die Zuschauer eine Ahnung davon bekommen können, wohin es Wadenka einmal bringen könnte: in die Weltklasse. Gegen den Indonesier André Tedjono, in der Weltrangliste als Nummer 46 notiert, zeigte er ein mitreißendes Match. Immer wieder trieb er seinen Gegner mit seinen gefühlvollen Dropbällen in die Resignation, also mit Bällen, die kurz hinter das Netz fallen - unerreichbar für den flinken Tedjono. Wadenka gewann den ersten Satz und musste sich erst im entscheidenden dritten geschlagen geben, als seine Kräfte nach Monaten des reduzierten Trainings schwanden. "Das gute Gefühl ist aber zurück", sagt Wadenka.

Das kann er auch tagtäglich im Training erleben. Zweimal übt er mit dem Schläger, dazu kommen noch die Fitnesseinheiten. Das Gute in Saarbrücken ist, dass er dabei Marc Zwiebler direkt aus der Nähe beobachten kann, den besten deutschen Badmintonspieler. Gelegentlich stehen sie gemeinsam auf dem Feld. Erst kürzlich konnte der Weltranglisten-22. den aktuellen Weltmeister Chen Long aus China besiegen. "Marc motiviert uns alle extrem und zeigt, dass auch wir Deutsche die Besten der Welt schlagen können", sagt Wadenka. Diese Gewissheit hatte Zwiebler selbst Jahre lang gefehlt. Er hat nun eine ganze Generation von Nachwuchsspielern inspiriert, es ihm gleichzutun. Auch Wadenka will unbedingt die großen Turniere spielen. Sein nächstes Ziel ist die Aufnahme in den Nationalkader, sein Fernziel sind die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

Doch davor will er mit Neuhausen erst einmal Dortelweil schlagen, damit der Mitaufsteiger aus Hessen hinter den Münchnern in der Tabelle bleibt. Zwei Mannschaften steigen am Ende der Saison ab, doch Wadenka und seine Teamkollegen haben die Hoffnung, dass der vorletzte Platz reichen könnte zum Klassenverbleib. "Vielleicht zieht ein Team zurück oder ein anderes will nicht aufsteigen", sagt er. Fest steht nur, dass Tobias Wadenka am Sonntag die Stühle wieder im Geräteraum verstauen wird.

© SZ vom 03.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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