Spezialisten:Altes Leiden

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Jens Werner leitet die Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie. Er arbeitet in Großhadern und in der Innenstadt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Heute stellt sich die Chirurgie in der Innenstadt besonders auf betagte Patienten ein

Von Jakob Wetzel, München

Die Herausforderung sind die Alten. "Das Durchschnittsalter unserer Patienten liegt mittlerweile bei über 80", sagt Wolfgang Böcker, Leiter der Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie - es ist eine von mehreren Kliniken, aus denen sich die Chirurgie an der LMU heute zusammensetzt. Das Alter der Patienten merke man auch an der Art der Verletzungen, sagt Böcker. Immer öfter kämen Menschen, die in ihrer Wohnung gestürzt seien und sich zum Beispiel den Schenkelhals gebrochen hätten. Viele Patienten litten zudem gleich an mehreren Krankheiten. Und die Zahl dieser Fälle steige: Die Menschen werden immer älter, darauf müsse man sich einstellen. Das vielleicht größte Problem dabei ist die Osteoporose - schlicht deshalb, weil sie kaum jemand ernst nehme, klagt Böcker. Dabei sei sie laut der WHO eine der fünf tödlichsten Krankheiten der Welt. Jeder dritte Schenkelhalsbruch führe innerhalb eines Jahres zum Tod. Trotzdem werde der Knochenschwund nur selten mit Medikamenten behandelt. Ohne akute Verletzung werde er fast nie erkannt. Und komme ein Patient zum Beispiel mit gebrochenem Handgelenk, werde zwar die Fraktur stets versorgt, aber nur die wenigsten Ärzte würden die Knochendichte messen. Nötig sei ein Bewusstseinswandel, sagt Böcker.

Im eigenen Haus ist der Anfang gemacht. Eine Osteoporose-Koordinatorin sucht gezielt nach Krankheitsfällen und treibt ein Netzwerk zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten voran. Erst im Mai 2016 ist die LMU-Chirurgie als Zentrum für Alterstraumatologie zertifiziert worden. Mittlerweile gibt es ein interdisziplinäres Zentrum für Knochenkrankheiten, an dem auch Geriater, Nierenärzte, Orthopäden und andere Mediziner tätig sind. Die Größe der Uniklinik macht es möglich.

Diese Vielseitigkeit zeichnet die endokrine Chirurgie, also die Behandlung vor allem von Schilddrüsen, Nebenschilddrüsen und Nebennieren, aus. Zugute komme den Chirurgen die Nähe zur Medizinischen Klinik an der Ziemssenstraße, dort gebe es den deutschlandweit einzigen Lehrstuhl für Endokrinologie, sagt Jens Werner, Leiter der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie. Gerade bei multimorbiden, oft älteren Patienten stünden Spezialisten aller Fachrichtungen zur Verfügung. Die Zusammenarbeit reiche von der Diagnose über die Wahl der Therapie bis zur Nachbehandlung.

Auch in der Forschung stellt sich die LMU-Chirurgie auf ältere Patienten ein. Gerade laufe eine Studie, die beweisen soll, dass Patienten nach einer Hüft-OP gar nicht anders können, als mit ganzem Gewicht aufzutreten, sagt Christian Kammerlander, stellvertretender Leiter der Unfallchirurgie. Ärzte würden bislang oft empfehlen, operierte Knochen nur leicht zu belasten. Gerade ältere Patienten lägen deshalb zu lange herum und würden zu langsam mobilisiert.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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