SPD-Fraktionsvorsitz:Ein Sieg ohne Glorie

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Hans Dieter Kaplan (Mitte) hatte Alexander Reissl (stehend) herausgefordert - bei der Wahl bekam der Fraktionschef einen Dämpfer. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei der Neuwahl des SPD-Fraktionsvorstands bekommt Alexander Reissl kein gutes Ergebnis - und auch in der zweiten Reihe ändert sich alles.

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

Um zehn vor zwei Uhr biegt der Herausforderer vom Treppenhaus in den langen Gang des Rathauses ab, in dem der Sitzungssaal der SPD-Fraktion liegt. Die Stimmung? Angespannt? Hans Dieter Kaplan nickt und sagt: Ja. Mehr nicht. Als Alexander Reissl um zwei vor zwei zur Sitzung schreitet, gibt er sich gelassen und selbstbewusst. Aufgeregt sei er wegen der Wahl nicht, sagt der Fraktionschef noch vor der Tür. Reissl wirkt siegesgewiss. Als letzter kommt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und gibt sich neutral. Die Entscheidung über den Vorsitzenden liege bei der Fraktion, sagt er. Auch wenn es kein Geheimnis ist, dass er Reissl an deren Spitze schätzt.

Um 14.57 Uhr dringt Applaus durch die Türen des Fraktionssaals. Reissl ist für zwei Jahre wiedergewählt - er bekommt 14 Stimmen, Kaplan neun. Das sickert schließlich durch, auch wenn die SPD das Ergebnis wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Kritisch knapp, sagt jemand draußen am Gang. Vielleicht verstehe Reissl das ja als den Dämpfer, den er schon brauchen könne.

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Der alte und neue Fraktionschef kommt nach der Wahl nicht aus dem Saal heraus, er arbeitet die Tagesordnung mit der Fraktion ab. Und die Aufregung wegen der Machtprobe an der Fraktionsspitze, der Aufstand des Vize gegen den Chef? Alles wie immer, nichts passiert, lautet die Botschaft. Als Reissl, 58, später das Resultat am Telefon kommentiert, will er von knapp nichts wissen: "Das ist ein klares Ergebnis. Die Fraktion hat ein gutes Team gewählt."

In den Tagen zuvor war in der SPD immer wieder von Reissls ruppigem und dominantem Führungsstil die Rede. Nun will Reissl die Diskussion "nicht weiter befeuern", aber eines doch klarstellen: "Wir haben einen Meinungs- und Willensbildungsprozess in der Fraktion. Mal dauern deshalb Sitzungen länger, mal kürzer. Und ich behindere niemanden dabei, sich ein Arbeitsfeld zu suchen, das er dann beackert." Die SPD-Fraktion sei gut aufgestellt, auch "weil wir uns mit dieser Wahl deutlich verjüngen".

Das liegt nicht zuletzt daran, dass der 60-jährige Kaplan nach seiner Niederlage als Stellvertreter nicht mehr antritt. "Aus Gründen der Konsequenz", wie er sagt. Auch Beatrix Zurek, 56, hört auf, sie wird im Juli Bildungsreferentin. Kaplan gab sich nach der Sitzung gefasst. Natürlich sei er enttäuscht, klar. Allerdings habe er nur sein erstes Ziel nicht erreicht: den Wechsel an der Spitze der Fraktion. Deutlich zufriedener ist der langjährige Stadtrat mit der fraktionsinternen Wirkung seiner Kandidatur, von der eine "klare Botschaft" ausgegangen sei, wie er sagt. Nämlich, dass es so nicht weitergehen könne.

Kaplan will weiterarbeiten - trotz Niederlage

Die von Kaplan angeführte Palastrevolte hat offenbar zu einer Aussprache in der Fraktion geführt. Der gescheiterte Gegenkandidat will trotz seiner Niederlage weiter mit vollem Einsatz für die Fraktion arbeiten. Auch wenn der Rückzug aus dem Vorstand nach 23-jähriger Zugehörigkeit nicht leicht falle.

Die neuen Vizechefs sind die 35-jährige Sozialpädagogin Verena Dietl und der 42- jährige Rechtsanwalt Christian Vorländer. Dietl ist Sportsprecherin ihrer Fraktion. Vorländer engagiert sich für die Belange der schwul-lesbischen Community und ist als versierter Kämpfer gegen rechts bekannt. Neu im Vorstand ist die erst 2014 ins Rathaus gewählte Anne Hübner, die eine von fünf Beisitzern wird.

Auch sie erhalten freundlichen Applaus. Kurz darauf verlässt OB Reiter den Saal. Er geht den Gang hinunter, bleibt nicht stehen, darf der Neutralität wegen nicht mehr sagen als: "Ich gratuliere allen Gewählten." Aber so wie er es gut gelaunt ausspricht und noch einen Scherz nachschiebt, reicht das: Für Reiter hat der Richtige gewonnen. Einer, der seine Fraktion verlässlich in der Spur hält. Auch wenn er damit mal aneckt.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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