Solln:Licht in der Nacht

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Letzte Station beim nächtlichen Rundgang der Christen in Solln war die St.Ansgar-Kirche. (Foto: Stephan Rumpf)

Ökumene in Bewegung: In der Abenddämmerung ziehen Sollner Christen von Kirche zu Kirche

Von Jürgen Wolfram, Solln

Von Lourdes oder Fatima liegt der Münchner Süden ein gutes Stück weit entfernt. Daher hat sich am vergangenen Freitag mancher Passant sehr gewundert, als ihm auf Sollner Straßen in der Abenddämmerung Menschen mit brennenden Kerzen in der Hand begegneten. Kommt auch nicht alle Jahre vor, dass die christlichen Gemeinden des Stadtviertels eine "Ökumenische Nacht der offenen Kirchen" ausrufen und zum Umgang zwischen den Gotteshäusern einladen. Gerhard Schober, ein erfahrener Pastoralreferent des katholischen Pfarrverbands Solln und Mitorganisator, rühmt das Verbindende dieser seltenen Aktion. "Die Hoffnung ist, dass die Mitglieder der verschiedenen Kirchen sich intensiver begegnen und mal gemeinsam etwas machen", sagt Schober. Eine andere Idee hinter den weit offenen Kirchentüren liege auf der Hand: Man wolle auf unkonventionelle Weise jene ansprechen, die es sonst nicht unbedingt zum Gottesdienst drängt. Mehr Kircheneintritte als -austritte, das wär' doch mal was, und sei es auf lokaler Ebene.

Nach einem feierlichen Auftakt in der Apostelkirche an der Konrad-Witz-Straße (sie ist passenderweise nach einem berühmten Schöpfer sakraler Kunstwerke benannt) macht sich der Zug der Kerzenträger auf den Weg zur Kirche St. Johann Baptist am Fellererplatz. In dem mächtigen, mit Sonnenblumen geschmückten Wahrzeichen Sollns ertönt alsbald ein "Lobet den Herrn" von großer Intensität. Um die 40 Männer und Frauen stimmen ein.

Das zentrale Thema der Gläubigen in dieser Nacht der Gemeinsamkeit lautet: Barmherzigkeit. In St. Johann Baptist steht dazu "Wahrnehmen und Nachsinnen" auf dem Programm. Nachsinnen über die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit. Und wie man sie im Alltag am besten umsetzt. "Betrübte trösten" wäre so eine christliche Handlungsmaxime, oder auch "Lästige geduldig ertragen" und "Verirrte zur Umkehr ermutigen". Alles nachzulesen auf Schautafeln, die im Kirchenschiff aufgestellt worden sind. Gedanken dazu schriftlich zu hinterlassen, ist nicht nur möglich, sondern ausdrücklich erwünscht. Dezente Hintergrundmusik und ein stoisch Pate stehender Pfarrer Marek Baginski tragen zu milder Stimmung und friedfertigen Kommentaren bei.

Andere Stationen in dieser ökumenischen Nacht sind die Petruskirche und St. Ansgar. Auch die versteckt liegende Kapelle der Schönstatt-Bewegung, die unter dem Dach der katholischen Kirche angesiedelt ist, steht den Sollnern weit offen. Häufig wird dieses Bündnis aus 20 unabhängigen Gemeinschaften, 1914 von Pater Josef Kentenich gegründet, fälschlicherweise für eine Sekte gehalten. Schönstatt steht vielmehr für intensive Jugendarbeit, internationalen Austausch, Marienverehrung und einen kirchlichen Baustil, der überall auf der Welt exakt gleich ist. Ihre Andacht in der Nacht der offenen Kirchen - Motto: "Mahl halten"- garnieren die Jünger Kentenichs mit Gesang, Gitarrenspiel und einem Imbiss. Sehr tröstlich für die Pilger zwischen den religiösen Stätten, wo doch das Regenwetter sich gar nicht barmherzig zeigen will.

Für Regina Hallmann, seit einem Jahr evangelische Pfarrerin der Apostel- und Petruskirche, ist die ganze Aktion eine Premiere. "Ökumene hat offenbar Tradition in Solln", stellt sie beeindruckt fest. Wer wollte ihr da im Schein der Kerzen widersprechen?

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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