Sendling:"So quirlig wird es wohl nicht mehr werden"

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Gennaro Bussone und die Händler der Sortieranlage zweifeln daran, dass die Ladenzeile vor der Großmarkthalle wieder zu ihrer früheren Attraktivität zurückfindet. Im neuen Jahr soll zumindest ein Gemüseverkauf eröffnen

Von Birgit Lotze, Sendling

Die Schauspieler auf den Fotos an den Wänden in der Trattoria Bussone tragen derzeit Weihnachtsmützen. Im Restaurant, einem langen Schlauch mit offener Küche, in der schon vormittags um 11 Uhr das Wasser in großen Kochtöpfen auf dem Herd dampft, ist vor allem abends viel los - oft bis spät in die Nacht, sofern die Gäste in Feierlaune sind. Geschäftsführer Gennaro Bussone ist seit 23 Jahren in der ehemaligen Sortieranlage des Großmarkts aktiv. Nur einmal hat er 33 Tage lang das Restaurant schließen müssen, das war 2009, als die Lokalbaukommission die gesamte Sortieranlage räumen ließ - das Dach drohe einzustürzen, hieß es damals. Gennaro Bussone wehrte sich, ließ ein Gegengutachten erstellen. "Sonst wäre ich wohl jetzt noch zu", vermutet er.

Seit der Dachrenovierung hat sich einiges verändert für die Ladenzeile in der Sortieranlage. Bussone hatte in den vergangenen sechs Jahren nur noch selten direkte Nachbarn. Sein Bruder Felice Bussone, der neben seiner Trattoria eine Pasticceria führte, konnte zwar nach der Renovierung noch einmal einziehen, doch dann lief dessen Vertrag mit den städtischen Markthallen aus und wurde nicht erneuert. Kürzlich hat die Marktleitung sogar angekündigt, den Raum aus Kostengründen gar nicht mehr als Gaststätte herzurichten. Die zwei Händler zur anderen Seite der Trattoria versuchten in Containern zu überleben: Der Fischhändler soll nach den sechs Jahren in Kürze wieder in die Ladenzeile einziehen können, der Obst- und Gemüsehändler ging im Container pleite. "So quirlig und lebendig, wie es früher hier war, wird es nicht mehr werden." Bussone zweifelt an der Wiederbelebung: "Die Frage ist, ob das nicht zu spät ist nach so langer Zeit."

Gennaro Bussone (rechts), Wirt der Trattoria Bussone, vermisst nach den Sanierungsarbeiten ein attraktives Umfeld für sein italienisches Lokal. (Foto: Robert Haas)

Die zähe Wiederbelegung der malerisch gelegenen Sortieranlage stört seit Jahren viele Sendlinger. Als Markthallen-Chef Boris Schwartz in der Bürgerversammlung im Herbst dann den Einzug eines neuen Obsthändlers ankündigte, war die Freude groß - und die Erwartung. Gerade der Gemüseladen hatte Kunden und viel Leben in die Ladenzeile gebracht, berichtet Fischhändler Birhan Babayigit. "Er war das Herz und die Seele." Aus dem gleichen Grund wünscht sich auch Bussone einen Obsthandel als Nachbarn. "Das war eine schöne Symbiose. Wir haben alle davon profitiert."

Doch beim Einzug des angekündigten Gemüsehändlers stellte sich heraus, dass dieser vorwiegend auf Online-Bestellung arbeitet. Dem Markthallen-Chef warfen deshalb in der vergangenen Woche Stadtteilpolitiker vor, gegen sämtliche Absprachen und Beschlüsse gehandelt zu haben. Die Stimmung ist gereizt. Das merkt auch der "Neue" in der Ladenzeile, Oliver Germek, Geschäftsführer des Internethandels "Mensch und Natur". Er setzt deshalb viel daran, bereits am 7. Januar ein Sortiment mit Obst und Gemüse anzubieten. Aber eben als Zubrot. Ein klassischer Verkaufsladen trage sich heutzutage an der Stelle nicht annähernd, vermutet Germek. "An allen Ecken" werde Kaufkraft abgezogen, so durch einen neuen großen Edeka in der Nähe. "Man kann ja nicht die Ökonomie aus den Angeln heben."

Nicht nur die Sortieranlage, sondern das gesamte Großmarkt-Areal ist inzwischen in die Jahre gekommen. (Foto: Stephan Rumpf)

Zwei Imbisse sind ebenfalls in der Sortieranlage, ganz vorne am Gotzinger Platz. Auch sie konnten nach dem Auszug 2009 zurückkehren. Der türkische Imbiss ist seit 16 Jahren an dieser Stelle, der unter Schaschlik-Essern über die Stadtgrenze hinaus bekannte Imbiss von "Rudi" läuft sogar bereits im 33. Jahr. Rudi hat viel erlebt, er sieht seit Jahren, dass es immer ein Stückchen stiller wird auf dem Vorplatz der Großmarkthallen. "Die Laufkundschaft ist schon lange weg", sagt er. "Das ist eben so mit der Modernisierung." In den Markthallen gebe es immer weniger kleine Händler. Die Standburschen, die früher die Ware zum Wagen brachten, wurden abgeschafft, ebenso die Tagelöhner, die früher die Lastwägen abluden. "Und wenn du den ganzen Tag im Büro 'rumsitzt, hast du auch nicht mehr so viel Hunger."

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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