Sendling:"Natürlich werden wir Berlin nicht einholen"

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Wohnungsmangel, Verkehr und der Viehhof - Die Sendlinger erwarten Antworten von OB Reiter bei der Bürgersprechstunde

Von Johannes Korsche, Sendling

Wenn Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zur Bürgersprechstunde in dem Viertel einlädt, in dem er einst aufgewachsen ist, dann kann man das getrost ein Heimspiel nennen. Die Stimmung unter den etwa 80 Sendlingern, die am Donnerstagabend ihre Fragen und Wünsche an den Oberbürgermeister in die Turnhalle an der Gaißacher Straße mitgebracht hatten, war dementsprechend locker. Viel Applaus, ein wenig Gelächter und ganz viel grundsätzliche Zustimmung für Reiters Antworten. Auch wenn der OB bei vielen Problemen vor allem ein gesellschaftliches Umdenken hin zu mehr Rücksichtnahme fordert, statt eine rein politische Lösung anzubieten. Das stört die Sendlinger aber nicht. Vielleicht auch, weil sie trotz einiger Probleme kaum existenzielle Nöte vorgebracht haben. Mit Ausnahme eines Bürgers, der nicht unbegründet befürchtet, bald obdachlos zu sein.

Er habe seine Wohnung verloren, könne wegen seiner Rheuma-Krankheit nicht mehr arbeiten und sei deswegen auf Hartz IV angewiesen, erzählte der Mann. Momentan wohnt er in dem Clearinghaus an der Leipartstraße, doch das Unterkommen in der Einrichtung des Katholischen Männerfürsorgevereins ist zeitlich begrenzt. Was danach kommt, weiß er nicht. Seine Situation belaste ihn "psychisch und körperlich", erzählte er dem OB. Er bewerbe sich auf jede Wohnung, die ausgeschrieben sei. Doch auf eine Sozialwohnungen der Stadt kämen seiner Erfahrung nach bis zu 1000 Kandidaten. "Was denken Sie dazu?", wollte er von Reiter wissen.

Der Oberbürgermeister nutzte die Gelegenheit, um für den städtischen Wohnungsbau zu werben. "Wir müssen schneller und mehr bauen." Genügend Wohnraum für kleinere Geldbeutel zu schaffen, sei eine der "größten Aufgaben". Zumal die noch freien Flächen in der Stadt knapp seien. Auch wenn das manchmal zu Protesten vor Ort führe. Das müsse man manchmal ignorieren, sagte Reiter, weil es "Allgemeininteressen gibt, die das individuelle Interesse überwiegen". Damit war Reiter bei seinem immer wiederkehrenden Appell an diesem Abend angelangt. Was das Zusammenleben in vielen Bereichen erleichtern würde, sei eine "Rückbesinnung auf die Erziehung, die wir alle einmal genossen haben". Egal ob das nun die Griller an der Isar betreffe - die ein Anwohner an der Schäftlarnstraße gerne erst hinter der Thalkirchner Brücke sehen würde - oder die Verkehrssituation im Viertel. Geschwindigkeitsbegrenzungen brächten halt nichts, wenn sich "die Leute nicht dran halten", sagte Reiter. So müsse jeder ein Restverständnis für den Anderen mitbringen, appellierte er.

Mit Blick auf die Grundschule seiner Tochter sprach ein Anwohner des Herzog-Ernst-Platzes von "einer reinen Rennstrecke", die ihn um die Sicherheit seines Kindes bangen ließe. Seine Vorschlag lautet: Dialog-Displays, die den Autofahrern die Geschwindigkeit anzeigen. Ein anderer Sendlinger, der an der Lindwurmstraße, Ecke Aberlestraße wohnt, wünschte sich unter großem Beifall eine bessere Kennzeichnung der 30-er Zone in seinem Wohngebiet. Beide Vorschläge versprach Reiter zu prüfen. Grundsätzlicher wurde es, als ein Sendlinger das Ende der Zwischennutzung im Viehhof bedauerte. "Wie fühlt man sich als Oberbürgermeister einer Stadt, die so reich an Hochkultur und so arm an Subkultur ist?" Reiter zählte Projekte auf, die es in der Stadt doch gebe, etwa die Domagkateliers. Aber: "Natürlich werden wir Berlin nicht einholen." Alleine schon deshalb, weil es nicht mehr so viele freie Flächen gebe. Auch so ein wiederkehrendes Argument an diesem Abend in Sendling.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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