Sendling:Die Bilder des Umbruchs

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Die Komponistin und Musikerin Michaela Dietl hat die Musik zum Film "Sendling" geschrieben. (Foto: Reinhold Rühl)

Reinhold Rühl präsentiert eine 85-minütige Filmdokumentation über Sendling

Von Birgit Lotze, Sendling

Ja, Sendling ist lebendig und an einigen Stellen ausgesprochen lebens- und liebenswert. Ein Film erklärt jetzt auch, warum. Der Filmemacher Reinhold Rühl gibt in seiner Dokumentation "Sendling - wo man leben könnte" Einblicke in das Viertel, das auch seine Heimat ist. Die Musikerin Michaela Dietl, auch sie ist Sendlingerin, hat die Musik dazu geschrieben. Der Film lässt die kürzlich verstorbene Elisabeth Reichhard zu Wort kommen, die mehr als 90 Jahre in der Genossenschaftswohnung wohnte, in der sie auch geboren wurde. Sie hat die Sendlinger Geschichte so gut wie kaum jemand gekannt. Gabi Duschl von der Sendlinger Kulturschmiede stellt ihren Lieblingsplatz vor. Ihrer Beharrlichkeit ist zu verdanken, dass Teile des Sendlinger Dorfkerns erhalten blieben und auch das Grün im Viertel. Im Film dürfen auch Kritiker des Harras-Umbaus sagen, was ihnen nicht passt. Die Dokumentation führt an ungewöhnliche Orte wie das Atelier der Künstlerin Sabine Deicke in einem Kirchturm und an den geheimsten Ort im Viertel, einen Schutzraum für mehr als tausend Menschen.

Sendling hat einige idyllische Plätze: die Stemmerwiese beispielsweise, den Flaucher. Am Flaucher wird gefeiert, aber es ist auch ein Ort, wo die Natur bei Hochwasser ihre Gewalt zeigt. Reinhold Rühl stellt auch die Seiten des ehemaligen Arbeiterviertels heraus, an denen er rebellische Spuren ausmacht: Sendling als Schauplatz des Bauernaufstands im Jahr 1705. Und dann der kürzlich ausgefochtene Kampf der Sendlinger um ihren Biergarten, den Tannengarten. Dieser Lokalpatriotismus wird im "Sendlinglied", das heute kaum noch einer kennt, ebenso deutlich wie bei MC Harras, der Hymnen auf das Viertel rappte - "nur Sendling, Mann, ist endskorrekt". Sichtbar macht der Film auch erste Schritte zur Gentrifizierung: der Schmied von Sendling, der aus seiner Werkstatt verdrängt wird.

Trägt auch der Film selbst zur Gentrifizierung bei? Der Filmemacher bekommt diesen Vorwurf des öfteren zu hören, weist ihn aber zurück. Natürlich wolle er als Filmemacher das Schöne, Eindrucksvolle präsentieren, das eben, was Sendling ausmache. Doch er zeige auch die "problematischen Ecken", das, was Konflikte auslöse. "Der Harras entspricht wohl nicht dem Idyll." Den Sendlinger Nerv trifft der Film jedenfalls. In der ersten Woche wurden bereits 140 DVDs verkauft.

Der Film "Sendling, wo man leben könnte" läuft während der "Sendlinger Filmtage" am Freitag, 17. Juli, um 19 Uhr, Samstag, 18. Juli, um 17 Uhr und am Sonntag, 19. Juli, um 11 Uhr (Matinee) und 17 Uhr im Hochbunker, Thalkirchner Straße 158. Kartenreservierung unter info@dokumacher.de.

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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