Sendling:Der Unvollendete

Lesezeit: 2 min

So schön der Gotzinger Platz ist, so unschön war die Debatte um und der Widerstand gegen den Bau einer Moschee. Diese Pläne sind inzwischen obsolet, doch der Streit wirkt in Sendlings Bürgerschaft bis heute nach

Von Birgit Lotze, Sendling

Der Gotzinger Platz bei der Großmarkthalle in Sendling ist eigentlich kein Platz. Zwar wurde er in den Zwanzigerjahren mit dem Bau der neubarocken Kirche St. Korbinian als Stadtplatz konzipiert. Inzwischen sind sämtliche Gebäude um die hundert Jahre alt, der gesamte Gotzinger Platz steht unter Denkmalschutz, fertig ist er dennoch nicht. In der Mitte ist eine quadratische Grünfläche, umsäumt von Straßen. Die zwei Türme von St. Korbinian herrschen im Westen, eine rund 90 Jahre alte Miethausgruppe füllt den Norden, an der Südseite steht die Schule von 1906 - eines der schönsten Schulgebäude Münchens, vor ein paar Jahren wurde es für 35 Millionen Euro instandgesetzt. Der Osten wird begrenzt von einem großen, ja, Parkplatz, dahinter steht das Kontorhaus Brunthaler, das jedem auffällt, der nach Sendling kommt und dabei nicht damit gerechnet hat, eine Begegnung mit Pinguinen zu haben.

Markus Lutz (SPD), Vorsitzender des Sendlinger Bezirksausschusses, ist heftiger Befürworter der Schließung des Platzes, er hofft, dass er dann nicht mehr nur als beeindruckend schöne Durchgangsstation, sondern als "richtiger Platz" genutzt wird. Er hätte sich als Abschluss des Areals anstelle des Parkplatzes sehr gut die kleine Moschee mit Minarett und Kuppel vorstellen können, für die die türkisch-islamische Gemeinde 2005 ein Konzept vorstellte. Das Misstrauen und die Feindseligkeit der Moschee-Gegner, die sehr massiv auftraten, schlug Wellen - über die Grenzen Münchens hinaus. Der Parkplatz blieb am Ende Parkplatz, inzwischen sei auch die Option für den Verein verfallen, sagt Markus Lutz. Und dem Gotzinger Platz fehlt immer noch eine Seite. Jetzt herrschen die Markthallen über den Parkplatz und haben ihn vorerst abgesperrt. Geblieben von den vielen Gesprächen, Demonstrationen und Auseinandersetzungen um die Moschee sind Austauschrunden wie der Kreis interreligiöser Dialog. Und Animositäten unter den Sendlingern. Man glaubt jetzt zu wissen, wer wo steht.

Markus Lutz ist hier in der Großmarktgegend aufgewachsen. Damals gab es noch einen Spielplatz auf dem Gotzinger Platz, die größeren Kinder orientierten sich zur Markthalle hin. Der Bär sei los gewesen, sagt Lutz. Die Gegend war durchlässiger und vor allem lauter, viel lauter, schließlich konnten die Laster überall und jederzeit durchfahren und waren nicht auf ein zentrales Einfahrtstor beschränkt wie heute. Damals erlebte man auch die Gerüche viel stärker, Gemüse, Blumen, aber auch die übleren aus dem Heizkraftwerk.

Vom Gotzinger Platz kann man die alte Markthalle nicht direkt sehen, man blickt auf eine rund 50-jährige Halle - eine derer, die in ein paar Jahren abgerissen werden. Während der Bauarbeiten wollen die Markthallen den Parkplatz am Gotzinger Platz nutzen. Danach, vermutlich weit nach 2020, wird der Parkplatz wieder frei. Wie er dann bebaut werden soll, auch wie die frei werdenden Flächen auf dem Großmarktgelände gestaltet werden, soll ein Bürger-Workshop vorplanen. Areale für die viel zu engen Sendlinger Schulen und neue Wohnungen schweben Markus Lutz vor. "Und dann wird hier endlich wieder mehr los sein."

© SZ vom 09.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: