Schwanthalerhöhe:"Die Kinder sind wie immer, also toll"

Lesezeit: 3 min

Viel Engagement: Gerhard Ameres, der Leiter der IG-Feuerwache. (Foto: Robert Haas)

Seit 15 Jahren bieten die Mitarbeiter der Freizeitstätte IG-Feuerwache auf der Schwanthalerhöhe interkulturelle Jugendarbeit, offene Ganztagsschule, Elternarbeit und Elternberatung an

Interview von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Längst ist das Haus am Rande des alten Messegeländes der Stützpunkt für ein weit verzweigtes Netzwerk. Die Mitarbeiter starten von hier aus, um in den umliegenden Vierteln der Stadt vor allem eins zu leisten: Schulsozialarbeit. Die gestaltet sich ganz anders als vor 15 Jahren, als die Jugendfreizeitstätte IG-Feuerwache hier an den Start ging. Die SZ sprach mit dem Gründer und Leiter der Einrichtung, Gerhard Ameres, über die Entwicklung der Institution, einem Projekt des Trägervereins "Initiativgruppe interkulturelle Begegnung und Bildung".

SZ: Mit welchem Konzept sind sie vor 15 Jahren an den Start gegangen?

Gerhard Ameres: Die Messe war umgezogen und auf Beschluss des Stadtrates sollte hier eine soziale Einrichtung für Kinder- und Jugendliche entstehen. Wir, also die Initiativgruppe, hatten uns mit einem Konzept beworben, das damals schon eine Dreiteilung vorsah, die heute noch gilt: klassische freizeitpädagogische Angebote mit schulischer Ganztagsbildung, also Schülerförderung, und Berufsorientierung. Wir haben damals mit vier Sozialpädagogen angefangen und etwa 50 Kinder betreut. "Bunt kickt gut", das interkulturelle Straßenfußball-Projekt, ist als eigenständiger Partner mit uns eingezogen.

Wer waren die ersten Kinder und Jugendlichen, die gekommen sind?

Eher welche aus den klassischen Einwanderungsländern, das heißt, Türkei, Jugoslawien und anderen EU-Länder. Inzwischen kann man gar nicht mehr zählen, aus wie vielen Ländern die Kinder, beziehungsweise deren Eltern stammen. Vermehrt sind es inzwischen welche aus afrikanischen Ländern, die früher eher selten waren. Und natürlich viele Kinder aus Krisengebieten, die oft traumatisiert sind und in Übergangsklassen unterrichtet werden. Sonst sind die Kinder wie immer, also toll. Ich bin begeistert, wie sie sich trotz schwieriger Voraussetzungen entwickeln, wenn man sie fördert. Die meisten wollen ihren Schulabschluss machen und sich damit eine Perspektive schaffen.

Wie unterscheidet sich die Arbeit zu den Anfangsjahren?

Früher sind die Kinder nur zu uns gekommen, jetzt findet der größere Teil der Arbeit in den umliegenden Schulen statt. Hier in der Feuerwache ist Elternbildung angesiedelt, Jugend- und Projektarbeit. Im Moment probt zum Beispiel eine dritte Klasse der Grundschule Pfeuferstraße ein Theaterstück, am nächsten Tag findet hier das Bewerbungstraining der Mittelschule Ridlerstraße statt, in der Art geht es weiter.

Welche sprachlichen Integrationshilfen bieten Sie für die Kinder, die aus den Krisenregionen dieser Welt kommen?

Schulische Unterstützung ist für den unmittelbaren Lernfortschritt immer immens wichtig. Aber in einem zweiten Schritt wollen sich Jugendliche bedürfnisorientiert entwickeln. Musik, Sport, Tanz und Theater lassen sich als Methoden einsetzen, um so indirekt Sprache zu entwickeln. Es geht immer auch um Bildung der ganzen Person, um kulturelle Techniken, Sozialkompetenzen und Teamfähigkeit, das ist nachhaltiger als Einzelprojekte. Viel schwieriger ist aber die Kommunikation mit den Eltern.

Für ihre interkulturelle Elternbildung ist die IG-Feuerwache vergangenes Jahr ausgezeichnet worden. . .

Ja, wir haben den Preis einer bundesweiten Initiative des Bundesbildungsministeriums und der Vodafone Stiftung Deutschland gewonnen und legen sehr viel Wert auf Eltern- und Erziehungsberatung. Darunter fallen Sprachkurse für Mütter, Beratung in schulischen Fragen, Begleitung der Eltern zu Sprechstunden an Schulen oder mehrsprachige Informationsabende für Eltern mit Migrationshintergrund, weil halt der Austausch zwischen Schule und Zuhause so wichtig ist. Bei uns macht unter anderem etwa eine türkisch-arabisch-sprachige Kollegin die Elternberatung. Sie wurde übrigens im Nachgang zur Preisverleihung jetzt nach Berlin zur Vorbereitung der Islam-Konferenz eingeladen.

Welche Hürden mussten Sie in der Vergangenheit nehmen?

Ein großer Bruch war das Auslaufen der ESF-Förderung, also des Europäischen Sozialfonds, der die soziale Integration fördert; bei uns waren das bis zu 160 000 Euro im Jahr. Als die praktisch von heute auf morgen weggefallen sind, hat uns das Jugendamt viel geholfen. Außerdem verschaffen wir uns durch die Vermietung unserer Veranstaltungsräume Spielraum für die Finanzierung eigener Projekte. Die Vermietung ist teilweise auch interkulturelle Arbeit. Bei uns machen zum Beispiel afrikanische Vereine ihre Kulturveranstaltungen und lernen uns auf diesem Weg kennen. Man kann sich vernetzen.

Wo liegen für Sie die Herausforderungen in den nächsten Jahren?

Zuwanderung wird stattfinden und die Frage ist, wie wird man sie gestalten. In fast allen Grundschulen haben mehr als 50 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund, in manchen anderen Schulen gar 70 und 80 Prozent. Man braucht Fachkräfte, die muss man ausbilden. Und da kann man noch was investieren.

Die Jugendfreizeitstätte IG-Feuerwache, Ganghoferstraße 41, feiert an diesem Freitag, 24. Juli, von 15 bis 21 Uhr ihr 15-jähriges Bestehen mit einem großen Fest. Improvisations-Theater, Balkansound mit der Band "Tuna Trio", Stände und Aktionen sowie interaktive Spiele stehen auf dem Programm.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: