S-Bahn-Ausbau in München:Stadtrat unterstützt den zweiten Tunnel

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Nach der Zustimmung des bayerischen Kabinetts votiert auch der Stadtrat für die umstrittene S-Bahn-Röhre. Nur die FDP schert aus.

Dominik Hutter

So schließt sich der Kreis: Nach einer strapaziösen Tour über immer neue Trassenvarianten ist der Münchner Stadtrat wieder dort angelangt, wo er vor vielen Monaten schon einmal war - beim zweiten S-Bahn-Tunnel nämlich.

"Herzlich willkommen", lautete daher in der Plenumssitzung am Mittwoch der launige Gruß von SPD-Fraktionschef Alexander Reissl an die Kollegen. Waren die Sozialdemokraten doch die einzige Partei gewesen, die dem inzwischen arg gerupften Projekt als einzige treu die Stange gehalten hatte.

Zu treu, wie CSU-Gegenpart Josef Schmid befand - offenkundig gehe die SPD völlig unkritisch mit dem Thema um. Ein Ja gab es trotzdem von der konservativen wie von der grünen Bank, und so erhielt die vom bayerischen Kabinett bereits beschlossene Röhre eine beeindruckende Mehrheit auch im Münchner Rathaus. Reissl will Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) nun "alle Daumen der SPD-Fraktion drücken", dass die Finanzierungsverhandlungen in Berlin erfolgreich verlaufen.

Das war einerseits ehrlich und andererseits als Bosheit gemeint - an die Adresse der Stadtrats-Liberalen. Denn die stimmten gegen den Tunnel und damit gegen ein Projekt des FDP-geführten Verkehrsministeriums. Fraktionschef Michael Mattar äußerte gar völliges Unverständnis für die Haltung der schwarz-gelben Staatsregierung.

"Wo leben die Kollegen denn?", fragte er sich angesichts des hohen Finanzbedarfs, den man aus leeren Kassen bestreiten müsse. Mattar will stattdessen die Variantendebatte weiterführen: mit einem neuen Gutachten, in dem ein Teilausbau des Südrings genauer untersucht wird.

Diesen Weg, mit dem eine der letzten Lücken im durchaus schon beachtlichen Gutachten-Sortiment geschlossen würde, wollte die große Mehrheit nicht mitgehen. Selbst in der eigenen Partei gab es einen Abweichler: Otto Bertermann, der die FDP auch im Landtag vertritt, votierte für den Tunnel und damit für den eigenen Minister.

Mattar sieht sich dennoch nicht allein auf weiter Flur, sondern in guter Gesellschaft mit diversen Umwelt- und Verkehrsinitiativen, die allesamt vor dem Tunnel warnten.

Dies freilich will Oberbürgermeister Christian Ude nicht überbewertet wissen: "Es gibt Fahrgastorganisationen, die tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit der FDP aufweisen", höhnte er. Die nämlich, die "ihre Mitgliederversammlungen in einer Telefonzelle abhalten können".

Die SPD berief sich im Gegenzug auf Tunnel-Unterstützer wie die Handelskammern, den Einzelhandelsverband, MVV, MVG, DGB und nicht zuletzt die bayerische Staatsregierung.

Deutlich komplizierter als SPD und FDP mussten CSU und Grüne argumentieren, die den Tunnel zwar weiterhin kritisch betrachten, zuguterletzt aber mit Ja abstimmten. Den Grünen sitzt obendrein ein Beschluss der eigenen Parteibasis im Nacken, die sich bei einer Stadtversammlung am Montag vergangener Woche mit knapper Mehrheit für ein Festhalten am Südring entschieden hatte.

Um aus diesem Dilemma zu entkommen, hatten die Parteistrategen ein kompliziertes Prozedere ersonnen: Zunächst stimmten die Grünen geschlossen für den eigenen Änderungsantrag, "den Vollausbau des Südrings als sinnvollste Variante weiter zu verfolgen."

Als dieser Vorstoß erwartungsgemäß scheiterte, wandte sich die große Mehrheit - bei drei Abweichlern - wohlwollend dem Tunnel zu. Ein bisschen grüne Handschrift aber muss sein, und so hatte Verkehrssprecherin Sabine Nallinger in aller Eile ein Konzept entworfen, wie die Röhre mit Regionalzügen besser ausgelastet werden kann.

Die SPD trug das Express-System für die Europäische Metropolregion München als Anregung an die Planer des Freistaats mit - allerdings nur unter der Maßgabe, dass der Tunnel nicht umgeplant werden muss. Da die Grünen dies akzeptierten, kam ein koalitionsschonendes rot-grünes Votum für eine möglichst regionalverkehrstaugliche Röhre zustande.

Bei der CSU lautete das Urteil dazu: völlig überflüssig. Schließlich seien bereits im Flughafenkonzept der Staatsregierung Regionalzüge durch den zweiten Stammstreckentunnel aufgeführt, erklärte Fraktionschef Schmid. Das Flughafenkonzept des Freistaats, das als ersten Schritt einen Airport-Express auf der S8-Strecke über Ismaning vorsieht, hat übrigens ebenfalls an diesem Mittwoch den Stadtrat passiert.

Die CSU begründete ihr Ja zum zweiten Tunnel mit politischen Aspekten. Aus fachlicher Perspektive halte man an den Bedenken fest. Man könne aber nicht die Tatsache ignorieren, dass eine Finanzierung des Münchner S-Bahn-Ausbaus "nur jetzt und nur mit diesem Projekt" möglich sei, so Schmid.

Insofern handle man nun ebenso verantwortungsbewusst wie vor einigen Monaten, als man die mit den Jahren stark veränderte Tunnelplanung noch einmal per Gutachten untersucht haben wollte. Ude schüttelte dazu den Kopf: Man könne doch vom Bund nicht eine Milliarde Euro für ein Projekt fordern, das man weiter in aller Öffentlichkeit als völlig unbefriedigend bezeichne. "So darf man die die Interessen München nicht vertreten."

© SZ vom 25.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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