"Respect & Remember":Ausstellung als Aufschrei

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Charlotte Knobloch warnt vor dem Umbruch in der Erinnerung

Von Jakob Wetzel

Charlotte Knobloch spricht leise, sie wirkt mitgenommen. Vor Jahrzehnten hätte sie sich nicht vorstellen können, dass es eine "solche braune Renaissance" geben könne, sagt die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. "Offen und ungeniert" grassiere nun wieder Antisemitismus, im rechten Spektrum wie im linken. Und "am Ende einer denkwürdigen Woche in einer denkwürdigen Zeit", so Knobloch, da sei diese Ausstellung ein Lichtblick gewesen.

Es ist Mittwochabend in der BBK-Galerie der Künstler im Museum Fünf Kontinente an der Maximilianstraße. Der Verein "Respect & Remember" hat hier Fotografien der Birkenau-Serie von Gerhard Richter gezeigt, Bilder, die den Schrecken des Holocaust wenigstens im Ansatz verarbeiten wollen. Zum Abschluss hat der Verein zum Gedenkabend geladen, zwei Tage vor dem 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Der 80-jährige Holocaust-Überlebende Ivan Lefkovits hat vor 200 geladenen Gästen über seine Erinnerungen gesprochen, von den Lagern Ravensbrück und Bergen-Belsen und davon, wie es ihm erst viele Jahre später gelang, über das Grauen zu sprechen. Und Gabriella Meros, Vorsitzende von "Respect & Remember", hat zwar berichtet, die Ausstellung sei erfolgreich gewesen, man habe viele Jugendliche erreicht, die 20 Führungen seien ausgebucht gewesen. Aber dann hat sie von zwei Gymnasialklassen erzählt, in denen die Hälfte der 14- bis 16-Jährigen noch nie von Auschwitz-Birkenau gehört hätten. "Die konnten damit überhaupt nichts anfangen."

Deutschland stehe vor einem Umbruch in der Erinnerung, sagt Knobloch nun. Die Epoche ohne Zeitzeugen breche an. Neue Wege müssten gefunden werden, um an die Nazi-Verbrechen zu erinnern. Auch und gerade dann, wenn das gesellschaftliche Klima kälter werde. Immer unverhohlener werde von rechts ein Ende des Gedenkens gefordert, so wie am Dienstag vergangener Woche vom Thüringer AfD-Anführer Björn Höcke. Am selben Tag hatte das Bundesverfassungsgericht es abgelehnt, die NPD zu verbieten; die Richter argumentierten, die Partei sei nicht gefährlich. Für Knobloch, die den Holocaust als Kind versteckt auf einem Bauernhof überlebt hat, war das ein schwerer Fehler.

"Diese Ausstellung ist auch ein Aufschrei", sagt sie nun. Es sei ein Versuch, die Erinnerungskultur neu zu beleben, mit Emotionen - und dabei klingt an: ohne "Stolpersteine". München habe sich für einen eigenen Weg in der Erinnerung entschieden, "und das ist gut so". Die 84-Jährige spricht ein desillusioniertes, aber noch kämpferisches Schlusswort. Die Stadt müsse den Feinden der Demokratie wieder kraftvoll entgegentreten, sagt sie, "und allem Anfang wehren".

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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