Reform:Hochschule für Politik: Lieb gewonnen, bald zerronnen

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Große Pläne hat die Technische Universität für die HfP. Der alte Standort an der Ludwigstraße ist dafür zu klein. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Juli zieht die Einrichtung zur TU. Vom Wandel fühlen sich manche Studenten überrollt, wie ein anonymes Schreiben zeigt.

Von Jakob Wetzel

Die Bibliothek ist nicht unbedingt zweckmäßig, aber schön: ein hoher, lang gestreckter Raum mit Wendeltreppe und Galerie, die Fensterfront klassizistisch ausgemalt. Sehen die Studenten der Hochschule für Politik (HfP) von ihren Büchern auf, fällt ihr Blick auf das Hauptstaatsarchiv, einen Klenze-Bau. Zumindest noch. Denn dieses Idyll an der Ludwigstraße steht vor dem Ende. Und unter den Studierenden kommt Unruhe auf.

Die HfP steckt in einer Reform, die vieles verändern wird. Zum 1. Juli wird der Betrieb an der Ludwigstraße eingestellt, die Hochschule zieht an die Brienner Straße, in die Nähe der Technischen Universität (TU).

Die HfP soll der TU mehr geisteswissenschaftliches Profil verschaffen

Dort soll eine neue HfP entstehen: eine Hochschule, die sich stärker als bisher mit den Wechselwirkungen zwischen Politik und Technik beschäftigen und die ihrer neuen Trägeruni, der TU, mehr geisteswissenschaftliches Profil verschaffen soll.

Die neue HfP wäre in Bayerns Hochschullandschaft etwas Einzigartiges. Doch umgekehrt bedeutet das: Die alte HfP, die 1950 im Zuge der "Reeducation" der Deutschen hin zur Demokratie gegründet worden ist und an der zumindest im Grundstudium auch Menschen ohne Abitur willkommen waren, sie wird verschwinden. Das beunruhigt manche der knapp 300 Studenten.

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An der umgestalteten HfP soll im Herbst 2016 soll der Bachelor-Studiengang für Politikwissenschaft starten. Und schon davor geht es zum neuen Standort.

Von Jakob Wetzel

Am Schwarzen Brett der HfP hing unlängst ein Schreiben aus, das die "Alternative Liste" formuliert hat, eine politische Hochschulgruppe, die eine von zwei Studentenvertretern stellt. Der andere distanziert sich von diesem Schreiben. Darin lässt die "Alternative Liste" kaum ein gutes Haar an der Reform.

Da heißt es etwa, die TU habe versprochen, die Studenten am Reformprozess zu beteiligen; aus Zeitdruck seien aber "zahlreiche wesentliche Entscheidungen meist hinter verschlossenen Türen getroffen" worden, die Studenten hätten sie nur noch absegnen dürfen. Auch beim Umzug an die Brienner Straße seien die Studenten vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Der gefährde schon deshalb ihr Studium, weil nicht alle Literatur übernommen werde.

Kritik gibt es am neuen Bachelor-Studiengang

Und die Autoren kritisieren grundsätzlich die Ausrichtung der TU: ihre Wirtschaftsnähe sei in Wahrheit eine Abhängigkeit von "Strukturen der Macht"; entsprechend stört sie auch, dass der Daimler- und EADS-Aufsichtsrat Manfred Bischoff zum Vorsitzenden des Hochschulbeirats gewählt worden ist.

Und mehr noch irritiert sie, dass an der Spitze des Ehemaligen-Vereins "Gesellschaft der Freunde der HfP" seit Januar Petr Bystron steht, der Landeschef der Alternative für Deutschland (AfD). Auch wenn weder HfP noch TU organisatorisch etwas mit dem Verein zu tun haben: Das sei der "Gipfel der Absurdität".

Die Autoren wollen anonym bleiben; sie versichern, es gehe ihnen nicht darum, sich an die Vergangenheit zu klammern. Aber was ihnen als Reform verkauft worden sei, sei in Wahrheit das Ende der HfP, wie sie bislang existierte. Sie fürchten um den Charakter der Hochschule. Bislang waren die Studierenden hier relativ stark politisiert. Im neuen Bachelor-Studiengang dagegen kämen politische Theorie und Geschichte zu kurz.

Hinzu kommt: Studiert wurde an der HfP bislang noch auf Diplom, jetzt wird die Bologna-Reform nachgeholt, schon deshalb wird sich vieles ändern. Und TU-Präsident Wolfgang Herrmann werfen sie vor, dass er in einem Video-Interview einmal gesagt hat, man müsse an der Universität nicht überall demokratische Strukturen einführen. Wenn es um Leistung und Forschung gehe, sei das nicht einzusehen.

Nur 80 Studenten haben sich an einer Umfrage beteiligt

Die TU ist sehr bemüht, die Kritik auszuräumen. In Hochschulbeirat und Senat säßen Studierendenvertreter, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, sagt Herrmann: "Sie haben mitgewirkt an der Meinungsbildung und an der Entscheidungsfindung." Dass unter den alten Diplomstudenten dennoch Unmut aufkomme, damit habe man gerechnet, sagt Herrmanns Beauftragte für die HfP, Hannemor Keidel. Mit Verwaltungsdirektorin Claudia Höfer-Weichselbaumer habe sie deshalb Informationsveranstaltungen und regelmäßige Treffen angeboten; zu den jüngsten sei aber kein Student mehr gekommen.

Auch habe man Fragebögen verteilt, aber nur zwei von 80 Studenten im Grundstudium hätten sie ausgefüllt. "Wir haben wirklich alle Möglichkeiten zur Beteiligung ausgeschöpft", sagt Höfer-Weichselbaumer. Die Kritik, es gebe zu wenig politische Theorie, habe man aufgegriffen; und Geschichte wolle man nicht weniger lehren, sondern anders: eingebettet in andere Fächer.

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Nach langen Kontroversen geht die Hochschule für Politik aus der Trägerschaft der LMU an die TU über. Vor zwei Jahren hatte TU-Präsident Herrmann eine solche Anbindung noch abgewehrt. Doch nun hat der Bayerische Landtag ein Machtwort gesprochen.

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Der Umzug wiederum sei alternativlos. Die Pläne der TU mit der HfP sind groß, die Räume an der Ludwigstraße aber klein. An der neuen HfP soll es bereits zum Start mindestens sechs Professuren geben; bisher unterhielt die HfP keinen einzigen eigenen Lehrstuhl. Deshalb müsse auch die Bibliothek umziehen; was die Bücher angehe, habe man die Studenten aber gebeten, diejenigen auszuwählen, die übernommen werden sollten, sagt Keidel.

Universität und Studenten reden aneinander vorbei

Die Antwort der Studierenden sei gewesen, dazu hätten sie "keine Zeit". Von der neuen Immobilie, einem lichten Gebäude neben dem Lenbachhaus, in dem die TU 6500 Quadratmeter angemietet hat, sind Herrmann, Keidel und Höfer-Weichselbaumer begeistert. Die Studenten seien nur deshalb nicht früher informiert worden, weil die Verhandlungen bis zum Schluss heikel waren, sagt Herrmann. Und die Aufregung über sein Interview kann er gar nicht nachvollziehen: "Ich habe mir das noch einmal angesehen, das ist doch alles einwandfrei."

Wie sehr Universität und Studenten aneinander vorbeireden, zeigt gerade der Streit über die Bibliothek. Die TU zählt die Vorteile auf, die der Umzug bringen soll: Die Stammbibliothek der TU hat erheblich länger geöffnet und bietet mehr Arbeitsplätze. Der Bücherbestand werde größer und internationaler sein, es gebe einen besseren Zugang zu Datenbanken und zu Büchern aus anderen Fachbereichen.

Doch den Studenten geht es um mehr als das. Für sie ist die Bibliothek mehr als ein Gebrauchsort, sie ist ein emotionaler Raum, sie macht die alte HfP aus. Neben der Treppe posierten bis zuletzt jedes Jahr die Absolventen der HfP im Talar für ihre Jahrgangsfotos. Eine Studentin lässt ausrichten, sie habe schon bei der Einschreibung davon geträumt, eines Tages genau dort zu stehen.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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