Reaktion auf Müll-Diebe:Big Brother im Wertstoffhof

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In der Halle 2 dürfen vorerst weiterhin Wertstoffe verkauft werden. Aber auch das soll neu geregelt werden. (Foto: Catherina Hess)

Weil auf Wertstoffhöfen systematisch gestohlen wurde, will die Stadt München mit Videoüberwachung und Testkäufen die Mitarbeiter des Abfallwirtschaftsbetriebs kontrollieren. Die wollen nicht unter Generalverdacht gestellt werden und wehren sich gegen eine "Kultur des Misstrauens".

Von Andreas Glas, München

Die Diebe trugen Latzhosen in Knallorange und Schutzanzüge mit aufgenähten Leuchtstreifen, um in der Nacht besser gesehen zu werden. Was zunächst wie ein krimineller Anfängerfehler wirkt, war bei genauem Hinsehen das Erfolgsrezept jener Bande, die im März bei einer Großrazzia auf den zwölf Münchner Wertstoffhöfen aufgeflogen war. Als Mitarbeiter des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebs (AWM) hatten die Diebe es nämlich leicht, nachts lastwagenweise Müll vom Hof zu schaffen, ohne dabei verdächtig zu wirken.

Alles, was irgendwie noch vertickt und zu Geld gemacht werden konnte, wurde geklaut: Altmetalle, Möbel, Elektrogeräte. Dass der systematische Diebstahl zehn Jahre lang nicht bemerkt wurde, war für die Stadt furchtbar peinlich. Nun zieht sie scharfe Konsequenzen - und legt ein neues Konzept vor, wie sie noch brauchbare Wertstoffe künftig selbst verkaufen will.

Namensschilder und verdeckte Testanlieferungen

Worüber der Stadtrat am Donnerstag entscheidet, gleicht einem strengen Überwachungsapparat, um den Wertstoffhof-Mitarbeitern das Klauen in Zukunft so schwer wie möglich zu machen. Nicht nur, dass das Personal künftig Namensschilder tragen soll, "um dem Missbrauch von Anonymität entgegenzuwirken", wie es in der Beschlussvorlage heißt. Bald wird es auch verdeckte Test-Anlieferungen geben und Schließanlagen, um elektronisch zu erfassen, wer das Betriebsgelände nach Feierabend noch einmal betritt. Dazu sollen drei weitere Chefposten geschaffen werden, um das Personal noch besser im Auge zu behalten. Und es werden alle Wertstoffhöfe der Stadt mit Kameras ausgestattet, um per 24-Stunden-Videoüberwachung Ein- und Ausfahrten der Höfe zu überwachen.

Korruptionsskandal
:Aufräumen auf den Wertstoffhöfen

Vier von zwölf Münchner Wertstoffhöfen bleiben am Osterwochenende zu. Das Gebrauchtwarenhaus "Halle 2" ist bis auf Weiteres geschlossen. Nach einem Hehlerei-Skandal herrscht Personalmangel. Kommunalreferent Markwardt erwägt nun, den Betrieb in fremde Hände zu legen.

Videokameras, elektronische Schließanlagen, versteckte Tests - in der Schärfe ist das nicht gleichzusetzen mit den Überwachungsmethoden, mit denen mancher Discounter in den vergangenen Jahren in Verruf geraten war. Und trotzdem: Einigen AWM-Mitarbeitern geht das Kontrollpaket der Stadt zu weit. Vor allem, dass Lockvögel auf die Höfe geschickt werden sollen, um die kriminelle Energie der Mitarbeiter zu testen, sieht der AWM-Personalrat "ein bisschen skeptisch", wie selbst die Sprecherin des Betriebs zugibt.

Dass man die Mitarbeiter damit unter eine Art Generalverdacht stellt, ist der Stadt bewusst: "Es ist eine Kultur des Misstrauens, die man sät", sagt die AWM-Sprecherin, doch müsse es in erster Linie darum gehen, das verloren gegangene Vertrauen der Bürger in ihre Wertstoffhöfe wieder herzustellen.

Dafür will die Stadt vor allem dort ansetzen, wo man offenbar lange Zeit zu leichtsinnig gewesen ist: an den Ein- und Ausfahrten der Wertstoffhöfe. Bevor die Vorfälle bekannt geworden waren, hatten die Mitarbeiter den Auftrag, gut erhaltene Gegenstände auszusortieren und in den Trödelhallen der Wertstoffhöfe zu sammeln. Von dort aus wurden die Sachen zu gemeinnützigen Organisationen oder zur sogenannten Halle 2 in der Sachsenstraße gefahren.

Dort betrieb die Stadt einen Gebrauchtwarenmarkt und sortierte Möbel aus, verkaufte Computer oder Mikrowellen an die Bürger. Auf dem Weg dorthin war davon aber einiges von den kriminellen Mitarbeitern abgezweigt worden. Deshalb sieht der Plan der Stadt außer Videokameras auch vor, die Gebrauchtwaren künftig in einem Lagerbuch zu registrieren, so dass hinterher kontrolliert werden kann, ob etwas fehlt.

"Wertstoffhof Plus" in Sendling

Außerdem hat die Stadt jetzt einen Plan für einen neuen Gebrauchtwarenmarkt, die Halle 2 ist seit der Großrazzia geschlossen. Geht es nach dem Wunsch der AWM, wird die Stadt dafür ein Grundstück in der Hans-Preißinger-Straße in Sendling zur Verfügung stellen, ein Vorverkaufsrecht hat sie sich bereits gesichert. Auf 23 000 Quadratmetern könnte dort ein sogenannter "Wertstoffhof Plus" samt Second-Hand-Markt entstehen.

Der benachbarte Hof in der Thalkirchner Straße würde dann geschlossen werden. Allerdings dürfte es noch eine ganze Zeit dauern, bis darüber entschieden ist und der Hof gebaut werden kann. Um diese Zeit zu überbrücken, soll die Halle 2 im Januar wieder öffnen.

Wie lange die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die 24 verdächtigten Wertstoffhof-Mitarbeiter noch dauern, ist derweil unklar. Fest steht bislang nur, dass sich der AWM von den meisten der unter Verdacht stehenden Angestellten getrennt und dafür neues Personal eingestellt hat. Sieben Mitarbeiter beteuern dagegen weiter ihre Unschuld. Wegen Korruption drohen den Verdächtigen Geldbußen bis hin zu einer Gefängnisstrafe.

© SZ vom 13.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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