Wertstoffhöfe in München:Müll-Diebe seit zehn Jahren aktiv

Lesezeit: 2 min

Geschlossenes Tor des Wertstoffhofes Lochhausener Straße - auch hier wurde geklaut. (Foto: Florian Peljak)

Sie klauten Sperrmüll und Elektrogeräte: Fast ein Viertel der Belegschaft der Wertstoffhöfe soll beteiligt gewesen sein. Hinweise darauf hatte der Betreiber schon früh. Doch erst Ermittlungen im Rotlicht-Milieu und wegen Menschenhandels haben die Polizei auf die richtige Spur gebracht.

Von Susi Wimmer, München

Die diebischen Mitarbeiter auf den städtischen Wertstoffhöfen müssen ganze Arbeit geleistet haben: Der Abfallwirtschaftsbetrieb geht davon aus, dass die 24 verdächtigen Angestellten schon seit gut zehn Jahren Sperrmüll gestohlen und ihn nachts lastwagenweise vom Gelände geschafft haben. Bei einer Razzia Mitte März war das kriminelle Personal aufgeflogen. Jetzt will die Stadt unter anderem die Höfe rund um die Uhr per Video überwachen und ein neues Schließsystem installieren. Drei der zurzeit wegen Personalmangels geschlossenen vier Wertstoffhöfe sollen bis Mitte des Jahres wieder öffnen.

Ja, konkrete Hinweise habe es "vor zehn, zwölf Jahren" gegeben, erklärt Helmut Schmidt vom Abfallwirtschaftsbetrieb (AWM). Damals schon gab es eine Videoüberwachung, die sich um 18 Uhr einschaltete, "und um 18.05 Uhr sah man auf den Bildern Mitarbeiter, die mit Fernsehgeräten, die auf einem Hänger geladen waren, den Hof verließen". Den Mitarbeitern sei sofort gekündigt worden. "Aber, es ging weiter", sagt Schmidt. Immer wieder habe es anonyme Hinweise gegeben. Einmal wollte sogar ein Zeuge aussagen, aber eine Stunde vor der Gegenüberstellung mit den mutmaßlichen Tätern zog er zurück. "Wir haben uns selbst auf die Lauer gelegt, um den Männern das Handwerk zu legen", sagt Schmidt. Es seien auch diverse Anzeigen zustande gekommen, die aber alle wegen Geringfügigkeit eingestellt wurden.

Jetzt war es anders: Im Zuge von Ermittlungen im Rotlicht-Milieu und wegen Menschenhandels stieß die Polizei offenbar auf die Hintermänner der hoch kriminellen Wertstoffhof-Bande. Und Mitte März platzte die Bombe. 180 Polizeibeamte durchsuchten alle Wertstoffhöfe sowie Privatwohnungen. Man stieß auf 55 000 Euro Bargeld, vier Hehler sowie 24 kriminelle Mitarbeiter. Insgesamt 100 Männer sind an den Höfen beschäftigt, quasi ein Viertel der Belegschaft machte lange Finger.

"Da kam es früher sogar zu Handgreiflichkeiten beim Streit um den Müll"

Einige Mitarbeiter wurden sofort freigestellt, manche haben Auflösungsverträge abgeschlossen. Vier Mitarbeitern hat der Abfallwirtschaftsbetrieb gekündigt. Den "personellen Aderlass" aufzufüllen, sei nicht einfach, sagt Kommunalreferent Axel Markwardt. Momentan laufen vier Vorstellungsrunden für je sechs neue Mitarbeiter. "Sie müssen fachkundig sein, beraten, organisieren können, freundlich und hilfsbereit sein", zählt er auf. Seit zehn Jahren verfolge der AWM ein Konzept, das regelmäßige Schulungen vorsieht. "Dabei werden die Mitarbeiter auch immer auf ihre Pflichten hingewiesen", sagt Markwardt.

Die Regeln an den Wertstoffhöfen sind streng: Sobald sich die Sperrmüllladung auf dem Grundstück der Stadt befindet, ist sie deren Eigentum. Ein Anlieferer darf auch nichts mehr an andere Anlieferer herausgeben. "Da kam es früher sogar zu Handgreiflichkeiten beim Streit um den Müll", erzählt Günther Langer vom AWM. Jetzt will der Betrieb mehr Aufsichtskräfte einsetzen, die Mitarbeiter in noch kürzeren Abständen unter den zwölf Wertstoffhöfen rotieren lassen. In Absprache mit der Personalleitung soll eine komplette Videoüberwachung installiert werden. Außerdem werden die Mitarbeiter Namensschilder tragen und der Eingang wird mit einer elektronischen Schließanlage gesichert, die alle Betreter registriert. Bislang, sagt Markwardt, habe man bei der Staatsanwaltschaft noch keine Akteneinsicht, also kenne man noch nicht alle Tricks der diebischen Mitarbeiter. Im Bedarfsfall werde man nachbessern.

Der immer noch geschlossene Wertstoffhof an der Lerchenstraße soll am 2. Mai wieder geöffnet werden, gefolgt von dem an der Lochhausener Straße. Mitte des Jahres soll der Hof an der Truderinger Straße wieder in Betrieb gehen. Der an der Arnulfstraße bleibt dagegen weiterhin zu. Ebenfalls bis auf Weiteres geschlossen ist die Halle 2, wo gut erhaltener Sperrmüll aus den Wertstoffhöfen verkauft wurde. Die Halle hat sich als baulich ungeeignet erwiesen, auch das Konzept funktionierte nicht. Möglichst viel, möglichst günstig zu verkaufen, habe vor allem Händler angelockt, die die Ware im Ausland oder auf Flohmärkten weiter verkaufen, sagt Markwardt, "und am wenigsten Bedürftige in München". Das Konzept werde überprüft, ebenso die Frage, ob der Betrieb der Wertstoffhöfe und der Halle 2 in fremde Hände gelegt werden.

© SZ vom 26.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: