Prügeleien und Patienten:Was Taxifahrer in München alles erleben

Es sind gefährliche, aber auch kuriose Situationen. Sechs Fahrer berichten, was sie an München nervt, über was Kunden gern reden - oder was sie im Auto vergessen.

Von Christina Hertel

Pech mit Krücken

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Peter Salbeck, 53, steht am Rindermarkt: Wie lange fahren Sie schon Taxi? Seit 32 Jahren. Zuerst als Nebenjob, seit 22 Jahren selbständig Wie viele Kilometer pro Jahr? Ungefähr 56 000 Was war die weiteste Fahrt? Einmal habe ich eine ältere Dame nach Südtirol gefahren. Aber das ist schon so lange her, damals gab's noch Mark. Welchen Fahrgast haben Sie besonders in Erinnerung? Ich hatte eine Stammkundin, die ich sehr mochte. Leider ist sie inzwischen gestorben, mit 94 Jahren. Bis zum Schluss war sie fit und hat Gaudi gemacht. Da stimmte einfach die Chemie. Was war Ihre brenzligste Situation? Die hatte ich zum Glück nie. Mein Vater war auch Taxifahrer, der wurde zweimal überfallen. Das ist mir nicht passiert. Aber ich kann mich an eine kuriose Situation erinnern: Ein Gast mit Gipsfuß und zwei Krücken ist mir weggelaufen, ohne zu bezahlen. Zu mir sagte er, dass er nur schnell Geld holt. Und ich habe ihm natürlich geglaubt. Wer denkt schon, dass einer mit Krücken abhaut? Aber dann ist er in einem Hinterhof verschwunden und ich bin ihm nicht mehr hinterher gekommen. Was nervt Sie am Münchner Verkehr? Die Verkehrsplanung der Stadt. Zum Beispiel gibt es oft auch in sehr engen Einbahnstraßen Fahrradwege gegen die Fahrtrichtung. Ich habe nichts gegen Radlfahrer. Aber das ist einfach gefährlich. Worüber sprechen die Fahrgäste? Das ist mir eigentlich wurscht. Ich nehme das, wie's kommt. Manche wollen gar nicht reden und das ist auch in Ordnung. Welche besonderen Fundstücke haben Sie schon aufgesammelt? Meistens bleibt das Übliche liegen - Schlüssel oder Handy. Einmal hat eine Dame ein paar Schuhe mit Absätzen vergessen.

Der Vielfahrer

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Sebastian Reiter, über 60 Jahre alt, steht am Viktualienmarkt: Wie lange fahren Sie schon Taxi? Viereinhalb Jahre Wie viele Kilometer pro Jahr? Um die 100 000. Bei mir kommt so viel zusammen, weil ich Krankenhausfahrten in ganz Bayern mache. Was war die weiteste Fahrt? Von Harlaching nach Berchtesgaden, dann zurück nach München und weiter nach Konstanz. Da war ich 13 Stunden unterwegs. Welchen Fahrgast haben Sie besonders in Erinnerung? Das kann ich nicht sagen. Alle Patienten, die ich fahre, haben eine eigene Lebensgeschichte. Was war Ihre brenzligste Situation? Auf der Autobahn erlebe ich die oft mit diesen wahnsinnigen Rasern. Wenn jemand bei Regen mit über 200 Stundenkilometern unterwegs ist, macht mir das Angst. Was nervt Sie am Münchner Verkehr? München ist so vollgestopft. Dann sind auch noch überall Baustellen. Und die Menschen werden immer aggressiver. Egal, ob Radler, Fußgänger oder Autofahrer. Worüber sprechen die Fahrgäste? Ich höre den älteren Kunden sehr gerne zu. Da kriege ich manchmal richtige Dramen mit, weil sich niemand um sie kümmert. Die Älteren sagen auch oft, dass sie sich von der Politik vernachlässigt fühlen. Welche besonderen Fundstücke haben Sie schon aufgesammelt? Wenn ein Gast aussteigt, schaue ich immer gleich auf die Rückbank, ob er etwas vergessen hat. Deshalb bleibt bei mir nichts liegen.

Reden übers Radio

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Ferdinand Saky, 62 Jahre alt, steht am Hauptbahnhof: Wie lange fahren Sie schon Taxi? Seit 25 Jahren Wie viele Kilometer pro Jahr? Pro Schicht etwa 100 bis 150, und ich fahre an etwa 200 Tagen im Jahr. Was war die weiteste Fahrt? Nach Stuttgart. Aber das ist schon lange her. Heutzutage fahren solche Strecken ja alle mit dem Fernbus. Welchen Fahrgast haben Sie besonders in Erinnerung? Eigentlich niemanden. Die meisten sind nette, höfliche Leute, aber einige sind leider auch aggressiv und arrogant. Was war Ihre brenzligste Situation? Einmal wollte mich ein Gast, der kein Geld dabei hatte, verprügeln. Ich habe ihn dann einfach aussteigen lassen. Was nervt Sie am Münchner Verkehr? Immer mehr Straßen werden einspurig. Da kann man dann nicht mehr überholen. Und dadurch gibt es mehr Stau. Worüber sprechen die Fahrgäste? Meistens reden wir über das, was im Radio läuft. Heute zum Beispiel kam etwas über eine Studentin, die für die schlechteste Hausarbeit ausgezeichnet wurde - mit 500 Euro. Darüber haben wir gelacht. Welche besonderen Fundstücke haben Sie schon angesammelt? Einmal hat eine Chinesin ihren Geldbeutel liegen lassen. Da waren über 1000 Euro drin. Ich habe ihn abgegeben und 100 Euro Finderlohn bekommen.

Klagende Fahrgäste

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Nikikoros Kantidaku, steht am Hauptbahnhof: Seit wann fahren Sie Taxi? Erst seit acht Monaten Wie viele Kilometer im Schnitt? Ich fahre bloß Teilzeit, vielleicht 100 Kilometer pro Schicht. Was war die weiteste Fahrt? Nach Salzburg Welchen Fahrgast haben Sie besonders in Erinnerung? Da fällt mir keiner ein. Was war Ihre brenzligste Situation? Ein besoffener Fahrgast hat mal nicht bezahlt - 30 Euro hätte ich von ihm bekommen. Die Polizei kam erst spät und am Ende habe ich das Geld nie bekommen. Was nervt Sie am Münchner Verkehr? Es gibt viel zu viel Stau, egal ob am Tag oder in der Nacht. Dabei müsste es nachts doch besser sein. Das verstehe ich nicht. Worüber sprechen die Fahrgäste? Die meisten jammern, dass München so teuer ist und dass sie kein Geld haben. Welche besonderen Fundstücke haben Sie schon aufgesammelt? Heute und gestern sind iPhones in meinem Taxi liegen geblieben. Das ist ärgerlich, weil ich die zur Polizei bringen muss

Tausend Baustellen 

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Helmut Plodeck, steht am Hauptbahnhof: Wie lange fahren Sie schon Taxi? Seit 16 Jahren Wie viele Kilometer pro Jahr? Ich bin Rentner und fahre nicht jeden Tag. Vielleicht sind es so 2000 bis 3000 Kilometer. Was war die weiteste Fahrt? Die ging nach Seefeld in Tirol. Welchen Fahrgast haben Sie besonders in Erinnerung? Bei mir ist einmal die Schauspielerin Christiane Hörbiger mitgefahren, die Tochter von Attila. An die erinnere ich mich natürlich. Was war Ihre brenzligste Situation? Zum Glück hatte ich bis jetzt noch keine. Was nervt Sie am Münchner Verkehr? Dass es tausend Baustellen gibt, irgendwo wird immer gebuddelt. Die Gegend um den Hauptbahnhof ist eine Katastrophe. Worüber sprechen die Fahrgäste? Das Wetter Welche besonderen Fundstücke haben Sie schon aufgesammelt? Ach, nichts besonderes, viele vergessen ihren Regenschirm.

Polen und zurück

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Rainer Kindig, kommt aus Berlin und steht am Rindermarkt: Wie lange fahren Sie schon Taxi? Seit 20 Jahren Wie viele Kilometer pro Jahr? 93 000 Kilometer Was war die weiteste Fahrt? Einmal habe ich einen Fahrgast nach Polen gebracht, in einen kleinen Ort mitten im Land. Ich weiß nicht mehr, wie viele Kilometer das waren. Aber damit habe ich bestimmt 900 Euro verdient. Welchen Fahrgast haben Sie besonders in Erinnerung? Eben diesen Mann. Der ist mit einer Flasche Schnaps am Hauptbahnhof eingestiegen und bis wir in Polen ankamen, hat er auf dem Rücksitz geschlafen. Das Geld habe ich natürlich schon vorher kassiert. Der Mann hat in München als Lehrer gearbeitet. Aber die Schule hat ihn rausgeschmissen - wahrscheinlich, weil er so viel getrunken hat. Was war Ihre brenzligste Situation? Am Ostbahnhof hat mir einmal ein Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen, einfach so. Ich bin weitergefahren, aber er ist mir hinterher gelaufen. Als ich an der Ampel stand, riss er die Fahrertür auf, packte meine Brille und schmiss sie auf den Boden. Da bin ich ausgestiegen und hab ihm einen Faustschlag verpasst. Ich weiß nicht, was sein Problem war. Der war einfach besoffen, glaube ich. Bei der Aktion habe ich mir meinen kleinen Finger gebrochen. Schmerzensgeld habe ich nie bekommen, das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Was nervt Sie am Münchner Verkehr? Dass jede Ampel rot ist. Die Stadt schimpft über Feinstaub, kriegt aber keine grüne Welle hin. Worüber sprechen die Fahrgäste? Ich bin sehr an Politik interessiert. Deshalb unterhalte ich mich mit meinen Gästen auch gerne darüber. Welche besonderen Fundstücke haben Sie schon aufgesammelt? Ich habe noch nichts Kurioses gefunden. Aber über Funk habe ich mal gehört, dass ein Fahrgast seinen Hund im Taxi vergessen hat.

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