Landgericht München:Mann schüttelt sein Baby fast zu Tode - und stellt das als Spiel dar

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  • Das Landgericht München I verhandelt den Fall eines Mannes, der sein Baby so heftig geschüttelt haben soll, dass es beinahe starb.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord vor.
  • Der Mann sagt, es habe sich um ein Spiel gehandelt. Doch das Bild vom angeblich harmonischen Familienleben bekommt auf Nachfragen des Richters Risse.

Von Christian Rost

Für Richter Michael Höhne klingen die Schilderungen des Angeklagten über sein Familienleben "fast bilderbuchmäßig". Er habe eine "wunderschöne Frau und eine supersüße Tochter", sagt Markus K. ( Name geändert) am Montag vor dem Münchner Schwurgericht. Und über sich selbst sagt der 23-Jährige: "Ich war sanft." Der Vorsitzende Höhne nimmt ihm das nicht ab, und die Staatsanwaltschaft am Landgericht München I ist ohnehin davon überzeugt, dass K. ein selbstsüchtiger Mensch ist, der sehr brutal werden kann.

Was dem Angeklagten vorgeworfen wird

Die Anklage wirft ihm versuchten Mord vor, weil er seine knapp acht Wochen alte Tochter derart heftig geschüttelt haben soll, dass der Säugling schwere Hirnschäden erlitt und daran beinahe starb. Das Mädchen befindet sich nach wie vor in einem kritischen Zustand und wird nach den medizinischen Prognosen zumindest schwerst behindert bleiben.

Am frühen Morgen des 2. Dezember 2014 riefen K. und seine erst 20 Jahre alte Frau den Notarzt zu ihrer Wohnung im südlichen Landkreis München, weil ihr Kind nach Luft rang und sich nicht mehr wecken ließ. Es kam in eine Klinik. Die Ärzte dort gingen zunächst von einem Infekt aus, erkannten aber bald einen Bluterguss hinter den Augen des Säuglings. Bei einer Operation musste das Schädeldach abgenommen werden, um den Hirndruck zu minimieren. Weitere Eingriffe folgten, erst nach einem Rehaaufenthalt konnte das Kind mit stark deformiertem Schädel zu seiner Mutter zurück. Das war im Sommer dieses Jahres.

Das Kind ist schwer behindert, doch die Eltern realisieren es nicht

Ob die junge Frau mittlerweile begriffen hat, was da mit ihrer Tochter passiert ist und wie es gesundheitlich um sie steht, ist fraglich. Laut Staatsanwaltschaft deutet die Mutter die epileptischen Krampfanfälle, unter denen das Kind seither leidet, nach wie vor als "Lächeln". Und auch der wegen Mordversuchs angeklagte Vater, zu dem die Mutter hält, hat offenbar noch nicht realisiert, dass seine Tochter nie wieder gesund und zeitlebens eine Betreuung rund um die Uhr benötigen wird. "Ihr Zustand ist stabil, ihr Kopf ist verheilt", sagt K., "ich habe das Gefühl, dass sie einmal ein ganz normales Leben führen kann." Erstaunen im Gerichtssaal.

Eine Woche nach dem Notruf kam K. in Untersuchungshaft. Er sieht noch jünger aus, als er ohnehin ist. Höflich und konzentriert präsentiert er sich dem Gericht, er spricht ausführlich über sein Elternhaus und seinen Glauben: "Religion spielt für mich eine ganz große Rolle." Auch seine Frau war regelmäßig in der Kirchengemeinde, wo sich die beiden kennenlernten. Sie wohnten jeweils noch bei ihren Eltern, als sie heirateten und einen Monat später eine eigene Wohnung bezogen.

Die Schwangerschaft kam früher als geplant, war für das Paar aber nicht ungewollt. "Wir haben uns sehr gefreut", sagt K. Seine Arbeitslosigkeit sei kein Problem gewesen, so der gelernte Elektroniker, seine Eltern und auch die Schwiegereltern hätten ihn und seine Frau finanziell unterstützt.

Während die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass er sehr wohl frustriert war von seiner Arbeitslosigkeit und das Baby packte und entnervt schüttelte, weil sein Geschrei ihn "beim Fernsehkonsum sowie beim Surfen auf pornografischen Seiten im Internet störte", stellt sich der Angeklagte als liebevoller, treu sorgender Vater dar: "Kinder sind ein Geschenk von Gott."

Seinen stressigen Job habe er nur deshalb aufgegeben, um mehr Zeit mit seiner Tochter und seiner Frau verbringen zu können. Die Aufgaben hätten sie sich geteilt. Seine Frau habe das Kind gestillt, er das Wickeln übernommen. Um den Haushalt hätten sie sich gemeinsam gekümmert. "Ich kam mir auf einmal so erwachsen vor", sagt K.

Der Vater beharrt, dass das Schütteln des Kindes ein Spiel gewesen sei

Seine Schilderungen vom harmonischen Familienleben bekommen allerdings Risse, als Richter Höhe sie hinterfragt. Ob nicht seine Frau in der Nacht vor dem 2. Dezember im Streit das Haus verlassen und bei den Eltern übernachtet habe? Ob er nicht doch Dinge mit dem Kind gemacht habe, die riskant gewesen seien? Der Angeklagte muss den Streit einräumen, bezeichnet ihn aber als harmlos.

Als er dann beschreibt, wie er seine kleine Tochter öfter "bespaßt" hat, merken die Prozessbeteiligten auf. Vom Kinderarzt und von einer Hebamme war er darauf hingewiesen worden, dass heftiges Schütteln für das Kind lebensgefährlich ist. Doch K. hob es mit beiden Händen in die Luft und schaukelte es hin und her. Der Kopf des Kindes baumelte "hoch und runter", so K. Das sei aber kein Schütteln, sondern ein Spiel gewesen, darauf beharrt der Angeklagte. Auch als er es aufs Bett warf aus zirka zehn Zentimetern Höhe oder mit der Kleinen im Kinderwagen über einen Acker fuhr, damit sie durchgeschüttelt wurde - das alles habe dem Baby gefallen, sagt der junge Mann. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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