Prozess:Vom Vater missbraucht

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Jahre später zeigen vier Frauen den mutmaßlichen Peiniger an

Von Susi Wimmer

Für eine Mutter muss es im Nachhinein unfassbar sein: Während ihre beiden Mädchen Wochenenden oder Ferien bei dem getrennt lebenden Papa verbrachten, soll er die Kinder mehrfach missbraucht haben. Als eine der beiden 17 Jahre alt war, versuchte er, sie zu vergewaltigen. Und damit nicht genug. Nils K., der auf der Anklagebank vor dem Landgericht München I sitzt, soll auch zwei Stieftöchter im Kindesalter begrapscht haben. Erst Jahre später, mittlerweile sind die jungen Frauen 23 bis 29 Jahre alt, wagte eines der Opfer, den eigenen Vater anzuzeigen. Erst dann brachen auch die anderen drei ihr Schweigen und gingen zur Polizei. Der mutmaßliche Peiniger soll voraussichtlich für fünfeinhalb bis sechs Jahre ins Gefängnis, das wurde bei einem Einigungsgespräch zwischen den Prozessbeteiligten am ersten Verhandlungstag zu Protokoll gegeben.

Nils K. sitzt bereits seit einem Jahr in Untersuchungshaft und wird in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Über den kahlen Schädel hat er eine Kapuze gezogen, vor das Gesicht hält er sich ein Blatt Papier, um sich vor den Fotografen zu schützen. 47 Jahre ist der gebürtige Magdeburger alt, mit dem grauen Vollbart und den wenigen Haaren an der Seite wirkt er wesentlich älter. Er signalisiert, dass er kooperieren will, lässt aber seinen Pflichtverteidiger Thomas Novak sagen, dass er in einigen Punkten der Anklage nicht so weit gegangen sei, wie dort beschrieben werde. Juristisch gesehen geht es um die Abgrenzung zwischen schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und einfachem sexuellen Missbrauch von Kindern.

Die Familienverhältnisse des Arbeitslosen sind nicht so einfach zu durchschauen. Aus einer Beziehung stammen zwei leibliche Töchter. Während dieser Beziehung bekam seine Partnerin noch ein Kind von einem anderen Mann. Und nach der Trennung von der Frau suchte er sich eine Lebenspartnerin, die ihrerseits eine Tochter mit in die Beziehung brachte. So war Nils K. von vier Töchtern, beziehungsweise Stieftöchtern umgeben.

Was Staatsanwältin Melanie Rochner dem Angeklagten vorwirft, ist für Eltern kaum nachzuvollziehen. Als seine leibliche Tochter zwischen sieben und maximal neun Jahre alt war, soll er sie in ihrem Bett begrapscht haben, genauso beim gemeinsamen Waschen in der Badewanne sowie bei einem Familienurlaub auf Rügen. Die heute 23-Jährige sagte aus, dass sie unter Schmerzen gelitten habe. Sie hat das Geschehen bis heute nicht verarbeitet und befindet sich in psychologischer Behandlung.

Ihre Schwester war etwa elf Jahre alt, als sich der Vater auch an ihr vergangen haben soll. Mit 16 Jahren, so die Anklage, soll er das Mädchen im Schlaf schwer sexuell missbraucht haben. Ein Jahr später habe Nils K. versucht, seine Tochter zu vergewaltigen. Dabei habe sie so heftige Gegenwehr geleistet und ihn ins Gesicht getreten, dass er von ihr abließ. Die junge Frau leide bis heute heftig unter den Taten. Auch seine beiden Stieftöchter soll der Mann begrapscht haben, als sie im Alter zwischen acht und elf Jahren waren.

Nils K. will Angaben zu seiner Person machen, zur Sache nicht, sagt er. Da es in dem Prozess auch um die sexuellen Neigungen des 47-Jährigen gehen wird, soll die Öffentlichkeit ausgeschossen werden. Ebenso wie bei den Vernehmungen der vier Opfer, die per Videoaufzeichnung in die Verhandlung eingebracht werden. Die 20. Strafkammer unter Richterin Sigrun Broßardt wird am 20. Dezember das Urteil verkünden, es sind vier Verhandlungstage angesetzt.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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