Prozess:Unzumutbarer Reiseplan: Münchner Veranstalter muss Kosten erstatten

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Abholung um 23:45 Uhr an einer Tankstelle fern des Wohnorts, die erste Urlaubsnacht im Reisebus - das passte einem Ehepaar nicht, das zur Erholung an die Côte d'Azur wollte.

Von Stephan Handel

Es sollte ein schöner Urlaub an der Côte d'Azur werden - aber er endete, bevor er überhaupt begonnen hatte: Weil ein Reiseveranstalter nicht genau angegeben hatte, wie die Busreise zum Urlaubsort genau ausgestaltet war, wurde er vom Amtsgericht München zur Rückerstattung des Reisepreises verurteilt.

Die Geschichte spielt eigentlich in Hessen, aber weil der Reiseveranstalter in München sitzt, fand sie ihr Ende am hiesigen Amtsgericht. Ein Ehepaar aus Wetzlar hatte für den Oktober 2016 eine neuntägige Busreise an die Côte d'Azur gebucht und dafür knapp 1400 Euro bezahlt. Im Prospekt stand, dass es "Zustiegsmöglichkeiten in der Nähe Ihres Wohnortes" geben würde. Gut zwei Wochen vor Reiseantritt kamen Dokumente - diesen mussten die Kläger entnehmen, dass sie an einer Tankstelle in der Nähe von Gießen zusteigen könnten, und zwar nachts um 23.45 Uhr.

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Das Ehepaar war damit nicht einverstanden und kündigte den Reisevertrag. Der Veranstalter wollte aber freiwillig nur zehn Prozent des bereits bezahlten Preises zurückerstatten. Daraufhin wurde er verklagt: Es sei dem Ehepaar nicht zuzumuten, die Reise um Mitternacht mehr als 20 Kilometer von der Wohnung entfernt an einer einsamen, unsicheren Stelle anzutreten, sein Fahrzeug während der Reise dort stehen lassen und die Nächte der Hin- und Rückfahrt im Bus verbringen zu müssen.

Vor Gericht bekamen die verhinderten Urlauber in allen Punkten Recht - der Veranstalter muss die volle Summe zurückbezahlen: Es sei schon einmal überhaupt kein gültiger Vertrag geschlossen, weil eine Einigung über Abfahrtsort und -zeit nicht zustande gekommen sei. "Eine Zustiegsstelle an einer Tankstelle in einer Entfernung von mehr als 20 Kilometern vom Wohnort der Klägerin", heißt es in der Urteilsbegründung, "kann nicht mehr als in deren Nähe angesehen werden. Auch der Zeitpunkt um 23.45 Uhr liegt außerhalb eines eventuellen Ermessensspielraumes."

Dass der erste Reisetag - beziehungsweise die Nacht - im Bus verbracht werden sollte, müssen die Kläger nach Ansicht des Gerichts ebenfalls nicht hinnehmen: "Es mag sein, dass diese Art und Weise zu Reisen bei gesunden, jungen und sparsamen Menschen beliebt ist, um Übernachtungskosten zu sparen. Für ältere Herrschaften, wie die Klägerin und ihren Ehemann, stellt dies häufig eine Zumutung dar."

Hinzu kommt noch, dass durch die nächtliche Busreise den Urlaubern die Schönheiten der Landschaft an der Strecke vorenthalten werden. Dies gelte umso mehr, als im Prospekt unter "1. Tag: Anreise" am Ende vermerkt ist: "In einem schönen Küstenort nahe San Remo verbringen wir die ersten vier Nächte." Tatsächlich war jedoch geplant, die erste Nacht im Bus zu verbringen. Deshalb hätten die Kläger den Vertrag zu Recht gekündigt und bekommen ihr Geld zurück.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (AZ: 262 C 2407/18)

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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