Prozess:Schmauchspuren, Handydaten und Kamerabilder

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Drei Männer sollen einen 35-Jährigen getötet haben. Polizisten geben vor Gericht Einblick in die Ermittlungen

Von Susi Wimmer

Die Kamera schwenkt durch die Wohnung, zeigt Kinderspielzeug, den Esstisch, und ein beklemmendes Gefühl stellt sich ein: Es ist die Wohnung eines Toten, unverändert, als würde er gleich zurückkommen. Doch Punkte auf dem Bild markieren, wo Patronenhülsen gefunden wurden, wo Salam S. zwischen Couch und Tisch auf dem Boden lag und wo ihn, einer Hinrichtung gleich, im Mai 2017 drei Schüsse in den Kopf trafen. In dem Mordprozess gegen die Brüder Hikmat A., Askar H. und deren Neffen Jerjis S. führt die Spurensicherung am Freitag vor dem Landgericht München I Bilder der 360-Grad-Kamera aus der Tatwohnung vor und ein Mordermittler erzählt.

Die Mordkommission ermittelt immer von innen nach außen. Was heißt, zuerst wird das familiäre Umfeld abgeklopft, die engsten Vertrauten, der Arbeitsplatz. Bei dem damals 35 Jahre alten Salam S. sei man zunächst aufgrund eines Anzeigenformulars auf Probleme im Job gestoßen. Salam S. hatte eine eigene Firma, einen Regalauffüll-Service, und war mit einem Angestellten eines Lebensmittelladens in Streit geraten, es gab sogar eine Anzeige wegen Körperverletzung. Doch diese Spur führte ins Nichts. "Es gab im Umfeld keine Auffälligkeiten", erzählt der Polizist.

Bis die Lebensgefährtin des Ermordeten von einer Affäre ihres Partners erzählte, und zwar mit der verheirateten Tschiman Y. So lud die Mordkommission Tschiman Y. und ihren Ehemann Hikmat A. zur zeitgleichen Vernehmung in getrennten Räumen. Die Ehefrau habe, nachdem Fragen zu dem Verhältnis mit Salam S. kamen, sofort gesagt, sie wolle nicht mehr zu ihrem Ehemann zurück, sie fürchte um ihr Leben. "Wir haben sie mit den Kindern in einem Frauenhaus untergebracht." Bei Hikmat A. hätten sich "Verdachtsmomente" ergeben, "aber für einen Haftbefehl reichten sie nicht aus. Wohl aber für amtliche Beschlüsse zu Wohnungsdurchsuchungen und zur Telefonüberwachung. Merkwürdigerweise, so sagt der Ermittler, sei Hikmat A. nicht mehr erreichbar gewesen. Und auch sein Döner-Imbiss an der Korbinianstraße blieb verwaist.

Nach den Schüssen in der Wohnung am Luganoweg in Fürstenried hatten Zeugen zwei Männer aus dem Haus kommen sehen: einer auffallend weiß gekleidet, der andere schwarz; wenig später sei ein dritter gefolgt. Also nahm sich ein Ermittler die benachbarte Bushaltestelle vor und entdeckte, dass in der Tatnacht zwei Männer, einer weiß, einer schwarz gekleidet, an der Haltestelle Starnberger Straße in den Bus stiegen. Die Lebensgefährtin von Salam S. konnte einen der Männer identifizieren, weitere akribische Ermittlungen führten zum Bruder und zum Neffen.

"Lass mein Handy verschwinden", befahl Hikmat A. einem Freund am Telefon, während die Polizei mithörte. Zudem wurden im Wagen eines der Männer am Lenkrad Schmauchspuren gefunden, "seltener Schmauch mit Quecksilber", sagt der Ermittler. Schmauch, der zu den Schüssen am Tatort passte. Außerdem arbeitete die Polizei etliche Widersprüche bei Verdächtigen und im Umfeld heraus. Schließlich wurden die drei Männer festgenommen.

Hikmat A. gab eine Speichelprobe ab. Als die Mordkommission ihn fragte, ob er das Bad in Salam Ss. Wohnung benutzt habe, sagt er spontan: "Nein, ich habe nicht geduscht." Hikmats Ehefrau sagte aus, als ihr Mann an dem Abend heimkam, sei sein Hemdsärmel nass gewesen. Hat Hikmat A. Blutspuren abgewaschen? Der Prozess dauert an.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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