Prozess:Patienten dürfen Operationen absagen - ohne hohe Kosten

  • Zwei Tage vor einer Magenverkleinerung sagte eine Frau die Operation ab.
  • Die Klinik stellte ihr eine Rechnung über 60 Prozent der Behandlungsgebühren - die Regelung stand im Kleingedruckten des Vertrages.
  • Doch der Richter erklärte die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schönheitsklinik nun für unwirksam.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Wenn ein Patient vor einer Operation kalte Füße bekommt, muss er jederzeit Nein sagen dürfen. Das Amtsgericht München hat eine Schönheitsklinik abblitzen lassen, die für eine nicht erfolgte Magenverkleinerung exorbitant hohe Stornokosten einklagen wollte. "Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem Wahlleistungsvertrag mit einer Klinik, wonach der Patient zum Schadensersatz verpflichtet wird, wenn er einen Operationstermin absagt, sind in der Regel unwirksam", sagt das Gericht.

Die Münchnerin wollte abnehmen. Deshalb unterschrieb sie im Juni 2015 in einer Schönheitsklinik in München einen Vertrag über das Einsetzen eines Magenballons. Der Eingriff sollte am 31. Juli stattfinden und 2490 Euro kosten. In diesem Vertrag steht im Kleingedruckten, dass jeweils Stornokosten anfallen, falls der Patient absagen sollte: Weniger als 14 Tage vor dem Eingriff sollen 40 Prozent der OP-Rechnung fällig werden, und wenn die Absage nur 48 Stunden vor dem Eingriff erfolgt oder der Patient am Eingriffstag gar nicht erst erscheint, sind 100 Prozent fällig. Und obendrauf kommt eine "Verwaltungsgebühr" von 60 Euro.

Zwei Tage vor der OP sagte die Münchnerin ab. Die Klinik stellte ihr eine Rechnung über 60 Prozent der Behandlungsgebühren. Die Frau zahlte nicht. Daraufhin kam der Fall vor das Amtsgericht München. Der Richter erklärte die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schönheitsklinik für unwirksam.

Die geforderte "Stornogebühr" übersteige den normalerweise zu erwartenden Schaden und sei "unangemessen hoch". Denn der Patient solle für den Fall einer Absage innerhalb von 48 Stunden vor dem Eingriff nicht nur 100 Prozent des Bruttobetrags vergüten, sondern auch noch eine Verwaltungsgebühr von 60 Euro zahlen. "Der Patient muss demnach bei kurzfristiger Absage des Eingriffs mehr bezahlen, als er bei Durchführung des Eingriffs zu leisten hätte", sagte der Richter. "Ein derart hoher Schaden ist völlig realitätsfern und offenkundig einseitig zugunsten des Verwenders festgelegt", heißt es nun im Urteil.

Die Regelung berücksichtige außerdem nicht, dass die Klinik bei Absage einer OP etwa Medikamente und Verbrauchsmaterial, Strom- und Reinigungskosten spare, die zugunsten des Patienten abzuziehen seien. Die Klausel im Klinikvertrag "benachteiligt Patienten unangemessen", stellt das Gericht fest.

Eine Heilbehandlung setze ein gesteigertes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient voraus, sagt das Gericht. Deshalb dürfe ein Patient den Behandlungsvertrag jederzeit fristlos kündigen, ohne hierfür Gründe angeben zu müssen. Das habe auch der Bundesgerichtshof so festgestellt. "Der Patient muss jederzeit die Möglichkeit haben, frei darüber zu entscheiden, ob er einen Eingriff in den Körper oder seine Gesundheit zulassen will", erklärt der Richter. "Das wirtschaftliche Interesse des Behandlers muss gegenüber dem schützenswerteren Interesse des Patienten auf körperliche Unversehrtheit zurücktreten", steht nun im rechtskräftigen Urteil (Az.:213 C 27099/15).

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