Prozess:Nach Neapel verschoben

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Angeklagter soll für eine Bande Mietwagen entwendet haben

Von Susi Wimmer

Mit Guiseppe M. ist den Behörden ein auffallend korpulenter Mann ins Netz gegangen, allerdings wohl kein richtig "dicker Fisch". Guiseppe M. soll eher zu den so genannten "Holzköpfen" einer international agierenden Autoverschieber-Bande gehören, die ihren Sitz im italienischen Neapel hat und deren Mitglieder so klingende Namen tragen wie "Der Blonde", "Onkel Raphael" oder "Der verrückte Antonio". Vor dem Landgericht München I sitzt aber nur der Neapolitaner Giuseppe M. Er soll im vergangenen Jahr mit falschen Papieren bei vier Autovermietungen Fahrzeuge im Wert von 150 000 Euro gemietet und nach Neapel überführt haben. "Große Autos", sagt er, "in kleine passe ich nicht rein".

Ob er aussagen will, fragt ihn Richterin Judith Engel zu Beginn der Verhandlung. "Ma certo" kommt es in rauem Italienisch zurück, "aber sicher". Guiseppe M. ist in seinem Redefluss kaum zu stoppen, wenngleich er gerne abschweift und Fragen blumig umschifft. Er erzählt, dass er seinen Führerschein und damit seine Arbeit als Kraftfahrer verloren habe, und dass er kein Geld mehr gehabt habe, um Essen für die beiden Kinder einzukaufen. Er habe Schulden gemacht, sei deshalb bedroht worden. "Ich war verloren", sagt er. Über einen Bekannten sei er vor einer Bar auf Männer gestoßen, die schnelles Geld versprachen. Da er durch eine Atemerkrankung unter plötzlichem Schlaf leide, habe man ihm Salvatore B. zur Seite gestellt, den Schwager eines Bandenmitglieds.

Und die bestens strukturierte "Familie" soll alles für Giuseppe M. organisiert haben: Laut Polizei besorgte man sich über einen Mann in Bukarest rumänische Kreditkarten, ein "Experte" in Italien bastelte teils nicht gerade gelungene falsche Ausweispapiere - und auch Führerscheine, zumal keiner der beiden Kurierfahrer eine Fahrlizenz hatte. Order sei gewesen, wenn möglich gleich zwei Autos mit nach Hause zu bringen, sagt Guiseppe M.

So mietete er am 11. Oktober 2016 am Münchner Flughafen einen Mercedes GLA 200, tags darauf am Salzburger Flughafen einen Ford C-Max. "Aber mit dem gab es ein Problem, den haben wir nach kurzer Strecke stehen lassen." Von den Chefs hieß es, dass man sich "schon um den Wagen kümmern" werde. Im Dezember folgten bei einer Autovermietung am Hauptbahnhof ein Ford Kuga und eine Stunde später ein BMW 230 D. Wobei Guiseppe M. bestreitet, den Ford Kuga gemietet zu haben, die anderen Autos nimmt er auf seine Kappe. Als Guiseppe M. am Flughafen Frankfurt-Hahn in Rheinland-Pfalz erneut einen Wagen mieten wollte, kam dem Personal der Ausweis komisch vor, und die Polizei wurde verständigt.

Große italienische Oper ist angesagt, als Salvatore B. in den Zeugenstand tritt. Er sei ja nur zweimal mit Guiseppe M. mitgefahren, um "ihm Gesellschaft zu leisten", versichert er. Er hatte ja nahezu gar keine Ahnung, was da ablaufe, M. habe ihn quasi nach Deutschland gelockt mit dem Versprechen, er kenne jemand, der ihm Arbeit vermitteln könne. "Das ist die Wahrheit", versichert der 35-Jährige. Und: "Ich schwöre!" Als die Richterin ihn auf gewisse Widersprüche hinweist, entschuldigt er sich wortreich - und zieht es vor zu schweigen. Am Freitag will das Gericht ein Urteil verkünden.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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