Prozess in München:Hände hoch und Hinkebein

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Er soll gemeinsam mit einem Komplizen einen Sexshop überfallen und den Angestellten mit Kabelbinder gefesselt haben. Vor Gericht kommt heraus, dass der Angeklagte hinkt. Für den Prozess könnte das wichtig werden.

Von Andreas Salch

Der linke Fuß von Jorge F. ist versteift, seit ihm ein Polizist mit voller Wucht ins linke Sprunggelenk getreten hat. Vier Jahre ist das jetzt her, der Knochen zersplitterte damals völlig. F. war im Glockenbachviertel in eine Kontrolle geraten und "zu Boden gebracht" worden. Ein Beamter habe zugetreten, sagt der aus Kuba stammende Lagerist, der seither trotz zweier Operationen hinkt. Das Verfahren gegen die Polizisten sei eingestellt worden.

Von Bedeutung ist das für ein aktuelles Verfahren, in dem F. vor dem Landgericht München I steht. Ihm wird die Beteiligung an einem bewaffneten Raubüberfall auf einen Sexshop in der Schwanthalerstraße vorgeworfen. Die Tat wurde Ende Dezember 2011 verübt - zwei Monate nach F.s letzter Operation am Fuß. Nach der soll er etwa sechs Wochen lang auf einen Rollstuhl beziehungsweise auf Krücken angewiesen gewesen sein, um sich überhaupt fortbewegen zu können.

Saß Jorge F. unschuldig in Haft?

War der Kubaner zur Tatzeit also in der Lage, einen Raubüberfall zu begehen? Festgenommen wurde Jorge F. erst zwei Jahre später, im Dezember 2013. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Sein damals gefasster Landsmann Daniel H. hatte der Polizei gesagt, F. sei bei dem Coup dabei gewesen. H. wurde zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, befindet sich aber bereits wieder auf freiem Fuß.

Jorge F. steht seit diesem Montag wegen des Raubüberfalls vor Gericht. Wenn sich herausstellt, dass er damals aufgrund der OP am Sprunggelenk nicht richtig laufen konnte, hieße das, dass er fast neun Monate lang unschuldig in U-Haft gesessen hätte. Andererseits: Warum sollte ihm Daniel H. etwas anhängen, wenn F. unschuldig sei, fragte Richter Stephan Kirchinger. Der Angeklagte zuckte mit den Achseln.

Daniel H. erscheint nicht zum Prozess

Es war am 27. Dezember 2011 kurz nach Mitternacht, als ein im Untergeschoss des Sexshops tätiger Angestellter verdächtige Geräusche hörte und zurück nach oben in den Laden lief - wo ihn Daniel H. mit einer großkalibrigen, wenn auch funktionsunfähigen Pistole bedrohte. Als der Angestellte um Hilfe schrie, drängte H. ihn in eine Videokabine und schlug ihn mit der Faust. Jorge F., der vor seiner OP in dem Laden gearbeitet hatte, soll versucht haben, den Mitarbeiter mit Kabelbinder zu fesseln und ihm den Mund zuzuhalten.

Anschließend soll er nach Geld gesucht, aber nur eine leere Wechselgeldkassette gefunden haben. Der Mitarbeiter hatte die Einnahmen in Höhe von etwa 1500 Euro kurz vor dem Überfall im Safe deponiert. Dem Opfer gelang es schließlich, Daniel H. zu überwältigen, den Shop durch den Notausgang zu verlassen und diesen wieder zu verschließen; die Täter entkamen durch den Hauptausgang. H. wurde bald darauf festgenommen. Von seinem Komplizen fehlte jede Spur.

Daniel H. teilte Richter Kirchinger per Brief mit, er könne nicht zum Prozess kommen. Seine Mutter sei auf Kuba schwer erkrankt, er wolle sich um sie kümmern. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 26.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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