Prozess:Gutachter hält Angeklagte im Kreissägen-Prozess für voll schuldfähig

Lesezeit: 3 min

  • Gabi P. soll ihren Freund mit einer Kreissäge getötet haben. Ein Psychiater belastet sie: er sehe keine tief greifende Bewusstseinsstörung.
  • Der Gutachter misst den Tagebucheinträgen der Angeklagten große Bedeutung zu. Daraus gehe hervor, dass sie keine Erinnerungslücken habe.
  • Ein Gutachten der Rechtsmedizin lässt darauf schließen, dass P. ihrem Freund gezielt den Kopf abschneiden wollte.

Von Susi Wimmer

Die Erinnerungslücken, die die wegen Mordes angeklagte Gabi P. bislang im sogenannten Kreissägen-Prozess geltend macht: Sie könnten nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Am Montag attestierte der psychiatrische Gutachter Matthias Hollweg der heute 32-Jährigen die volle Schuldfähigkeit, er habe auch keine gravierenden Persönlichkeitsstörungen feststellen können, ebenso wenig seelische Abartigkeiten. Und eine tief greifende Bewusstseinsstörung sah der Psychiater auch nicht.

Im Gegenteil: In ihrem Tagebucheintrag würde die Frau die Tat so detailliert und rational beschreiben, "sie war schon in der Lage, die Situation zu überblicken", sagte Hollweg. Mehr noch: Aufgrund der Tagebucheinträge sehe er auch keine "ausgestanzte Erinnerungslücke" bei Gabi P. Was heißen würde, dass die Angeklagte bis dato auch vor Gericht raffiniert agierte. Laut Richter Michael Höhne ließe zudem das Gutachten der Rechtsmedizin den Schluss zu, dass Gabi P. ihrem Freund die Kreissäge nicht gegen die Brust gedrückt habe. Was im Umkehrschluss bedeuten würde, dass sie ihm ganz gezielt den Kopf abschneiden wollte.

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Gabi P. hat zugegeben, ihren Ex-Freund mit einer Kreissäge getötet zu haben. Ihr jetziger Verlobter half bei der Beseitigung der Leiche. Vor Gericht will er sich nicht zu allen Details äußern - dafür zitiert er Hölderlin zur Tugend.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer

Gabi P. wird vorgeworfen, im Dezember 2008 ihren damaligen Freund Alex H. während eines Sexspieles mit einer Kreissäge getötet zu haben. Gabi P. wohnte damals zusammen mit dem 28-jährigen Studenten in einem Häuschen in Haar, das sie geerbt hatte. Der Freund soll zuweilen psychisch auffällig gewesen sein, sie geschlagen und beherrscht haben und zu Sexspielen gezwungen haben, die sie nicht wollte. Sie habe ihn verlassen und sei wieder zurückgekehrt. Und auch als sie ihn herausgeworfen habe, sei er wiedergekommen. So bislang die Schilderungen der Angeklagten.

Psychiater Hollweg sprach durchaus von einem Hang zur Abhängigkeit auf Seiten von Gabi P. und von einer ambivalenten Beziehung. Gabi P. habe zuweilen unter psychischem Druck gestanden, sagte er. Aber die Belastung sei nicht durchgängig gewesen, er könne im Nachhinein keine krankhafte seelische Störung sehen.

In seinen Gesprächen mit Gabi P. habe sie die Ereignisse vor der Tat und auch danach genau benennen können, erklärte Hollweg. Bei der Tat selbst soll sie in "einem komischen Zustand" gewesen sein, habe sie dem Psychiater erzählt. Sie habe nur unzusammenhängende Erinnerungsfetzen, sie glaube, dass er bald tot gewesen sei, ob Blut geflossen ist, wisse sie auch nicht mehr.

Allerdings misst Hollweg den Tagebüchern, die Gabi P. etwa zwei Jahre nach der Tat verfasst haben soll, eine wesentliche Bedeutung zu. Die Angst vor dem Freund, so wie sie Gabi P. immer wieder geschildert habe, sei in den Aufzeichnungen nicht das zentrale Motiv für die Tat gewesen. Sie habe "das Sicherste gewählt. Kurz und schnell, damit er nicht den Spieß umdreht", so schildert sie ihre Gedanken in dem Tagebuch kurz vor dem Griff zur Kreissäge. Der Eintrag sei "nicht gestört", urteilte Hollweg, sondern von einer gewissen Rationalität geprägt. Sie habe die Art der Tötung gewählt, "den sicheren Weg, wo es kein Zurück gibt". Genau dieses Verhalten spreche gegen eine tief greifende Bewusstseinsstörung. "Nach meiner Einschätzung entsprechen die Tagebücher ihren Erinnerungen", so Hollweg.

Auch wenn der Alkoholkonsum phasenweise bei Gabi P. hoch gewesen sein muss, auch wenn sie Cannabis konsumierte, so sei dies alles nicht in extremen Maßen geschehen. Matthias Hollweg konnte auch da keine gravierenden Auffälligkeiten feststellen, die für die Tat ausschlaggebend gewesen sein könnten. Am Ende von Hollwegs Ausführungen riet der Vorsitzende Richter Michael Höhne der Verteidigerin Birgit Schwerdt, noch einmal mit ihrer Mandantin zu beraten, ob diese zur Tat "nicht doch was sagen wollte".

Auch im Hinblick auf das Gutachten der Rechtsmedizin, das zuvor Randolph Penning vorgetragen hatte. Als der im Januar 2016 in Haar aufgefundene und in Plastikfolien eingewickelte Leichnam ins Institut für Rechtsmedizin gebracht worden sei, habe man erst einmal eine Computertomografie angeordnet. Der Schädel sei vom Körper abgetrennt gewesen und habe auf dem Brustbereich gelegen. Der Rechtsmediziner führt aus, dass die Halswirbelsäule von vorne angesägt worden sei. Es könnten im Brustbereich Schnitte gewesen sein, sagte er eher vage. Ob das Opfer Schmerzen empfunden habe, wollte Richter Michael Höhne wissen. Penning erläuterte, dass laut wissenschaftlicher Untersuchungen bei Abdrücken der Halsschlagader binnen fünf Sekunden ein Mensch bewusstlos werde. Der Rechtsmediziner zeigte die Verletzungen sogar anhand von Knochen, die mittels eines 3-D-Systems rekonstruiert worden waren.

Ob sich Gabi P. aufgrund der Gutachten nun doch noch an die Tat erinnern wird, wird die nächste Verhandlung am 13. April zeigen. Das Urteil wird erst nach den Ferien am 19. Mai verkündet.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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