Prozess:Festnahme am Wiener Flughafen

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Gericht überprüft Terrorverdacht gegen 27-Jährigen, der ohne Pass nach Istanbul wollte

Von Susi Wimmer

Wollte der 27-jährige Rafaa D. aus München Ende 2015 tatsächlich nach Syrien reisen, um sich dort als IS-Kämpfer ausbilden zu lassen? Diese Frage wird das Landgericht München I an mehreren Verhandlungstagen klären müssen. Am Montag allerdings wurde die Sitzung gleich einmal verschoben: Anwältin Seda Basay bemängelte, dass die ihr zur Verfügung stehenden Akten lückenhaft seien. Das Gericht vertagte sich auf Freitag.

Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft soll der gebürtige Tunesier, der seit 22 Jahren in München lebt, Anhänger einer extremistisch-islamischen Ideologie sein und in Kontakt mit Salafisten stehen. Seine Anwältin sagt, dass er durch einen Chat mit einem Mann, der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, ebenfalls ins Visier der Nachrichtendienstler geriet. In dem Chat, so glaubt der Verfassungsschutz, hätten sich die Männer über eine Ausreise unterhalten, allerdings unter der Verwendung von anderen Begriffen.

Rafaa D. wurde fortan überwacht, zumal man laut Staatsanwaltschaft glaubte, dass sich der Mann in Syrien im Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoff ausbilden lassen wolle, um dann im Namen des Jihad in Syrien oder im Irak zu kämpfen. Mitte Dezember 2015 entzog das Kreisverwaltungsreferat Rafaa D. den Reisepass und beschränkte die Gültigkeit seines Personalausweises für zwölf Monaten auf Deutschland. Sechs Tage später reiste der Mann nach Wien. Als er am dortigen Flughafen in die Maschine nach Istanbul steigen wollte, wurde er kontrolliert und festgenommen. Nun sitzt der 27-Jährige auf der Anklagebank, weil er gegen das Passgesetz verstoßen hat - und wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

"Es gibt nur einen Brief vom Verfassungsschutz an die Polizei mit einem Protokoll und der Behauptung, dass mein Mandant ausreisen wollte", sagt die Anwältin. Wenn ein Bürger so umfassend von einem Nachrichtendienst überwacht werde, müsse das die G-10-Kommission des Bundestages entscheiden. Aus den Akten gehe dies nicht hervor. Auch nicht, wie lange ihr Mandant abgehört worden sei und ob es noch mehr Protokolle gebe, die ihn eventuell sogar entlasten könnten.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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