Prozess:Ehepaar verklagt Stadt wegen umgestürztem Baum

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  • An einem Nachmittag im April 2013 krachte eine Linde quer über die Fahrbahn und beschädigte ein ordnungsgemäß geparktes Auto stark.
  • Die Autobesitzer kämpfen nun in der zweiten Instanz um eine Entschädigung.
  • Das Oberlandesgericht will nun prüfen, ob die Stadt ihre Baumkontrolleure gut genug geschult hat.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Es war eine große und schöne Linde, die ohne jede Vorwarnung an einem windstillen Aprilnachmittag 2013 in der Sollner Ludwigshöher Straße quer über die Fahrbahn krachte. Diese Linde gehörte zu den zahllosen Bäumen auf öffentlichem Grund in der Stadt, für die die Münchner Stadtverwaltung verantwortlich ist.

Der umstürzende Baum hatte damals ein ordnungsgemäß geparktes Auto stark beschädigt. Dessen Besitzer kämpfen nun schon in der zweiten Instanz um eine Entschädigung und können gar nicht fassen, in welch schwieriger Rechtslage sie sich befinden.

"Wo ist unsere Schuld?", fragte das klagende Ehepaar am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München (OLG) immer wieder. "Wir haben doch nichts falsch gemacht." Den Eigentümern des bei dem Baumsturz demolierten Chrysler Voyager geht es gegen ihren Rechtssinn, dass es auf diese Frage gar nicht ankommt.

Pilzbefall an den Wurzeln ließ Linde umfallen

Vielmehr müssen sie der Stadt beweisen, dass die Behörde den Gesundheitszustand der Linde nicht angemessen kontrolliert und damit gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat. Ein schwieriges Unterfangen. Aber immerhin ist der 1. OLG-Senat gewillt, die Pflichtaufgabe der Stadt noch kritischer zu betrachten, als es die erste Instanz getan hatte.

Beim Landgericht München I waren erst einmal die wesentlichen Aspekte aufgeklärt worden. Die Stadt hatte erklärt, regelmäßig alle auf öffentlichem Grund stehenden Bäume zu kontrollieren - die letzte Sichtkontrolle der fragliche Linde sei im September 2012 erfolgt. Ein erfahrener Landschaftsgärtner konnte dabei keinen Krankheitszustand feststellen: Der Baum habe sich aus seiner Sicht in einem gesunden, vitalen Zustand befunden. Der Pilzbefall an den Wurzeln sei erst nach dem Umfallen der Linde erkennbar gewesen.

Vielleicht einigen sich beide Seiten noch auf einen Kompromiss

Ein Diplom-Forstwirt hatte dann als Sachverständiger erklärt, dass nur ein Experte wie er am Zustand der Baumkrone Hinweise auf Pilzbefall im Wurzelbereich hätte sehen könnten. Dieses Wissen habe ein normaler Baumkontrolleur aber in der Regel nicht, und das könne auch von ihm nicht verlangt werden. Das Landgericht hatte daraufhin die Klage abgewiesen.

Hier will das Oberlandesgericht nun noch einmal einhaken: Auch wenn die Stadt ihre Bäume natürlich nicht von lauter akademischen Forstwirten anschauen lassen könne, wie der Vorsitzende meinte, gebe es doch die Möglichkeit der Aus- und Weiterbildung durch solche Experten. "Hat die Stadt ihre Mitarbeiter entsprechend geschult?", will der Senat wissen.

Doch eine Antwort auf diese Frage wird er womöglich nicht bekommen: Vielleicht einigen sich beide Seiten vorher auf einen Kompromiss, bevor die Verhandlung demnächst mit Sachverständigen-Anhörungen fortgesetzt wird. Denn die Kläger hatten in der Verhandlung eingewilligt, sich mit 40 Prozent ihrer Forderung von rund 10 000 Euro zu bescheiden.

Allerdings mit spürbarem Widerwillen - sie hatten erhofft, wenigstens den halben Schaden bezahlt zu bekommen. Die Stadt dagegen wollte erst lediglich 30 Prozent bezahlen, willigte dann aber ebenfalls bei 40 Prozent ein - bekam jedoch eine Frist zum Widerruf.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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