Prozess am Amtsgericht:200 Euro fürs Wildbieseln

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  • Ein 57-Jähriger musste sich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses am Münchner Amtsgericht verantworten.
  • Eine Passantin traf den Mann mit offener Hose im Alten Botanischen Garten an und glaubte, er würde onanieren. Sie rief daraufhin die Polizei.
  • Das Verfahren wurde gegen die Zahlung von 200 Euro Bußgeld eingestellt.

Von Christian Rost

Edmund S. gehört offenbar nicht zur Fraktion der rücksichtsvollen Sitzpinkler. Doch wenn sich der 57-Jährige schon grundsätzlich im Stehen erleichtern muss, sollte er das künftig an weniger prominenten Orten erledigen. Am 1. November vorigen Jahres war er von einer Frau am Rande des Alten Botanischen Gartens mit offener Hose angetroffen worden. Die Passantin meinte, den alkoholkranken Mann beim Onanieren erwischt zu haben, und rief die Polizei. Am Dienstag musste sich S. wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses am Münchner Amtsgericht verantworten.

Einen Anwalt brachte Edmund S. nicht mit zur Verhandlung, aber einen Sozialarbeiter vom Männerwohnheim, wo der Ex-Obdachlose seit Jahren untergebracht ist, sowie seinen Bruder, der ihm als gesetzlicher Betreuer zur Seite gestellt wurde. Ohne die Hilfe der beiden Männer hätte der Prozess gar nicht stattfinden können: "Ich hör' nix", wetterte der Angeklagte zur Vorsitzenden Richterin gewandt. Seit einer verschleppten Ohrentzündung ist der Rentner beinahe taub. So kam seinen Begleitern die pikante Aufgabe zu, sich mit dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft en détail auseinanderzusetzen.

"Ich pinkel vielleicht mal hinter einen Baum"

Demnach war S. direkt neben dem Gehweg an einem Baum gestanden und hatte an sich herumgefummelt. Es sei fast 19 Uhr und schon dunkel gewesen, erinnerte sich die Zeugin, aber aufgrund der hellen Straßenbeleuchtung habe sie erkennen können, dass der Mann nicht uriniert, sondern sich stimuliert habe. Aus Ekel darüber rief sie mit ihren Mobiltelefon die Polizei. Eine Streife nahm S. mit zur Wache. Betrunken war er nicht: Ein Atemalkoholtest ergab lediglich einen Wert von 0,2 Promille. Den Vorwurf, er habe onaniert, wies S. weit von sich. "So was mach ich nicht. Ich pinkel vielleicht mal hinter einen Baum", sagte der bislang nicht vorbestrafte Mann.

Sowohl sein Bruder als auch der Sozialarbeiter bezweifelten, dass sich Edmund S. so verhalten hat, wie in der Anklage beschrieben. "Er ist seit 30 Jahren Alkoholiker und impotent", sagte sein Bruder. Er sei körperlich also gar nicht mehr in der Lage, sexuelle Handlungen jedweder Art durchzuführen. "Er hat gepinkelt und abgeschüttelt. Das war alles", so der Bruder. Der Sozialarbeiter meinte noch, S. sei noch nie mit sexuell motivierten Handlungen aufgefallen. Das Gericht beließ es schließlich bei einem Denkzettel: Das Verfahren wurde gegen die Zahlung von 200 Euro Geldbuße eingestellt.

© SZ vom 08.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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