Protest gegen Amazon:Frischer Ärger

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Es füllt sich: 2012 wurde das Gewerbegebiet am Hüllgraben ausgewiesen, längst haben sich die Eisbach-Studios und Amazon angesiedelt. (Foto: Stephan Rumpf)

Die "Bürgerinitiative lebenswertes Daglfing" wehr sich gegen den Neubau des "Amazon Fresh"-Logistikzentrums

Von Ulrike Steinbacher, Daglfing

Auf den 17 Hektar Freiflächen am Hüllgraben in Daglfing ist ein fünf Hektar großes Gewerbe- und Industriegebiet entstanden, das eigentlich für Mittelständler und Handwerker gedacht war. Doch auch Logistikbetriebe und Einzelhändler siedeln sich dort an, was ganz und gar nicht vorgesehen war. Bestes Beispiel ist "Amazon Fresh".

Mit seiner Webseite für den neuen Lebensmittel-Lieferdienst ist der US-Onlinehändler schon im Internet zu finden, in Potsdam und Teilen Berlins gibt es das Angebot seit Anfang Mai. Bestellungen an Münchner Adressen werden allerdings noch nicht angenommen. Die Logistik aber ist startklar, auch wenn Amazon dazu offiziell nicht Stellung nimmt. Das ist übliche Konzernpolitik, neue Dienste werden erst bestätigt, wenn sie pannenfrei laufen. Bekannt ist jedoch seit Ende April, dass der Immobilienentwickler Segro das neue Logistikzentrum am Hüllgraben an Amazon übergeben hat. Es ist 15 000 Quadratmeter groß und doppelstöckig mit Rampe und Kühlvorrichtungen im oberen Stockwerk. Geplant ist, dass pro Tag zehn bis 20 Lastwagen dort ihre Ladung anliefern. Etwa 150 Transporter sollen die Lebensmittel dann ausfahren.

Im Geschäftsmodell von Amazon, diesem "Online-Supermarkt", sieht die "Bürgerinitiative lebenswertes Daglfing" (Bild) eine Gefahr für die "seit über 100 Jahren existierende kleinteilige Versorgungsstruktur des Lebensmittelhandels". Und schuld daran sei die Stadt selbst. Sie habe die Vorgaben für das Gewerbegebiet am Hüllgraben so schwammig formuliert, dass große Gebäude wie die Logistikhalle eine Genehmigung bekommen.

Geplant war ursprünglich tatsächlich etwas anderes am Hüllgraben: In der Frischluftschneise südlich der Passauer Autobahn A 94 sollten sich bevorzugt Firmen ansiedeln, die aus dem Gewerbegebiet an der Paul-Gerhardt-Allee in Pasing vertrieben wurden, das seinerseits einem neuen Wohngebiet weichen musste. Beide Areale gehören zu großen Teilen der Immobilienentwicklungsgesellschaft Aurelis. Gegen den Widerstand von Naturschutzverbänden und Bezirksausschüssen wurde 2012 der Bebauungsplan beschlossen.

Im Juni 2014 fragte die Bürgerinitiative bei der Lokalbaukommission nach, ob die Nutzungsbeschränkungen aus dem Bebauungsplan auch eingehalten würden. "Einzelhandelsbetriebe wie auch Lebensmitteldiscounter" seien ausgeschlossen, hieß es in der Antwort. Sowohl die Bauherrin Aurelis als auch das städtische Planungsreferat erklärten, der Hüllgraben sei "dem klassisch produzierenden Gewerbe beziehungsweise verarbeitenden gewerblichen Nutzungen vorbehalten", wie Planungssprecher Thorsten Vogel noch 2015 formulierte. Im Februar 2017 wollte die Initiative dann von OB Reiter (SPD) wissen, warum jetzt doch eine große Lagerhalle genehmigt worden sei, und zwar über drei Parzellen hinweg. Das Planungsreferat erklärte daraufhin, Lager- und Logistikhallen seien in Industrie- und Gewerbegebieten zulässig, auch zweigeschossige, und die drei kleineren Baukörper, die im Bebauungsplan eingezeichnet sind, seien nur ein Vorschlag gewesen. Die Bürgerinitiative zieht daraus den Schluss, dass die Stadt den Bebauungsplan nicht streng genug formuliert hat, um die Gewerbeflächen, die ja nicht ihr, sondern der Aurelis gehören, tatsächlich für Handwerker oder Mittelständler zu reservieren. "Diese Chance hat man vertan", urteilen die Bild-Vorsitzenden Sebastian Riesch und Pauline Menacher, "uns ist unbegreiflich, warum die Politik ihre Planungshoheit so leichtfertig aus den Händen gibt."

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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