Probleme bei der Bahn:"Mainz kann jederzeit auch in München passieren"

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Das Stellwerk am Münchner Hauptbahnhof: Die bayerischen Schaltzentralen des Konzerns seien "derzeit alle arbeitsfähig", sagt ein Sprecher. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ohne sie geht gar nichts: Ähnlich wie Fluglotsen in der Luftfahrt steuern Fahrdienstleiter von den Stellwerken aus den Zugverkehr. Trotzdem hat die Deutsche Bahn Stellen abgebaut - jetzt fallen Züge aus oder werden umgeleitet. Nach Mainz könnte es auch München treffen, warnt die Eisenbahngewerkschaft.

Von Marco Völklein

Am Montag nun schaltete sich sogar Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) in die Bahn-Misere von Mainz ein. Es gelten die Prämissen: "Einstellen, ausbilden, bereithalten", erklärte eine Sprecherin des CSU-Ministers und reagierte damit auf die Personalprobleme im Mainzer Hauptbahnhof. Weil dort Fahrdienstleiter fehlen, fallen seit Tagen Züge aus oder werden umgeleitet. Auch in Südbayern könnte eine solche Situation entstehen, warnte am Montag Paul Eichinger von der Eisenbahner-Gewerkschaft EVG. "Mainz kann jederzeit auch in München passieren."

Seit Jahren warnen Gewerkschafter davor, dass der Bahn in den Stellwerken die Leute ausgehen - auch in München. So seien derzeit in den kleineren Münchner Stellwerken, die nicht direkt aus der Betriebszentrale des Konzerns an der Donnersbergerbrücke gesteuert werden, 15 Stellen unbesetzt.

Auch in der Betriebszentrale selbst fehlt angeblich Personal: Mitarbeiter berichten, einige Strecken würden derzeit nicht, wie normal, von zwei Fahrdienstleitern pro Schicht bedient, sondern nur noch von einem - etwa die Strecken München-Rosenheim und München-Mehring. Das habe zur Folge, dass zum Beispiel eigentlich geplante Bauarbeiten an den Strecken derzeit nicht ausgeführt werden könnten. Zudem schöben die Fahrdienstleiter Berge an Überstunden vor sich her: In den kleineren Stellwerken in Oberbayern seien 38.000 Überstunden aufgelaufen, in der Betriebszentrale etwa 20.000.

Der Netz-Chef der Bahn, Frank Sennhenn, hatte zuvor eingeräumt, die dünne Personaldecke in Mainz sei kein Einzelfall: "Wir haben bundesweit eine angespannte Situation." In Bayern allerdings seien "derzeit alle Stellwerke arbeitsfähig", schob ein Sprecher nach. Zudem setze der Konzern "alles daran, dass dies auch so bleibt". In Mainz fehlen derzeit Fahrdienstleiter, weil viele in Urlaub oder krank sind.

Fahrdienstleiter sitzen im Bahn-Betrieb an Schlüsselpositionen: Ähnlich wie Fluglotsen in der Luftfahrt steuern sie von den Stellwerken aus den Zugverkehr. Ohne Fahrdienstleiter steht der gesamte Schienenbetrieb.

Stellenabbau rächt sich

Selbst Bahn-Manager räumen mittlerweile ein, dass der Konzern in den vergangenen Jahren vor allem damit beschäftigt war, Personal ab- und weniger aufzubauen. Das rächt sich nun: Im Bereich Netz, dem die Stellwerke unterstehen, ist mittlerweile fast jeder zweite Mitarbeiter über 50 Jahre alt. Den anstrengenden Schichtdienst in den Stellwerken hält ein Teil der Belegschaft nur noch schwer aus.

Laut EVG müsste der Konzern in den nächsten drei Jahren alleine im Freistaat 200 neue Fahrdienstleiter einstellen. "Es reicht eine Grippewelle, dann sind auch bei uns Situationen wie in Mainz nicht auszuschließen", warnt ein EVG-Mann.

Die Bahn hat mittlerweile reagiert und wirbt verstärkt um Nachwuchs. So würden heuer bayernweit 48 junge Leute zu Fahrdienstleitern ausgebildet, 2014 soll die Zahl auf 61 steigen, erklärt der Sprecher. Zusätzliche Kräfte würden in 90-Tage-Schnellkursen geschult. Gewerkschafter Eichinger aber zweifelt, ob der Plan aufgeht: "Die Bahn findet derzeit nicht genügend Leute, um alle Stellen zu besetzen - schon gar nicht im teuren München."

© SZ vom 13.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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