Pillen gegen Sex:Psychiater erneut vor Gericht

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  • Der Prozess um einen Gerichtspsychiater, der von einer medikamentenabhängigen Staatsanwältin intime Treffen als Gegenleistung für Pillen gefordert haben soll, hat zum zweiten Mal begonnen.
  • Staatsanwalt Florian Gliwitzky wirft dem Psychiater sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses vor.
  • Er soll der Staatsanwältin Psychopharmaka verschrieben und ihr Blankorezepte überlassen haben, damit sie ihm als Domina zur Verfügung steht

Von Christian Rost

Der Prozess um einen Gerichtspsychiater, der von einer medikamentenabhängigen Staatsanwältin intime Treffen als Gegenleistung für Pillen gefordert haben soll, hat am Montag zum zweiten Mal begonnen. Braun gebrannt erschien der 60-jährige Thomas S. mit einer neu zusammengestellten Verteidigerriege vor der 1. Strafkammer am Landgericht München II. Dieselbe Kammer hatte ihn im April am Flughafen vorübergehend verhaften lassen, nachdem er während des ersten Prozesses aus Sicht der Richter einmal unentschuldigt gefehlt hatte und deswegen das ganze Verfahren platzte. S. beteuerte, er habe wegen eines Badeunfalls auf Teneriffa nicht rechtzeitig nach München kommen können.

Nun müssen also die pikanten Details aus der Beziehung des Mannes, der als psychiatrischer Sachverständiger jahrelang an verschiedenen Gerichten in Bayern tätig war, mit einer ehemaligen Münchner Staatsanwältin und Richterin neu erörtert werden. Für die Justiz war schon die erste Verhandlungsrunde ein peinliches Schauspiel. Dass ein Psychiater mit einer Staatsanwältin anbandelt, war noch nicht besonders bemerkenswert.

Freizügige SMS auch in Justizkreisen herumgezeigt

Als aber der Vorsitzende Richter einer anderen Strafkammer als Zeuge ebenfalls ein Verhältnis mit der Frau einräumen musste, ließ Justitia buchstäblich die Hüllen fallen. Und als dann noch die Inhalte erotisch aufgeladener SMS zwischen der Staatsanwältin und dem Psychiater verlesen wurden und Thomas S. freimütig angab, die Kurznachrichten auch in Justizkreisen herumgezeigt zu haben, erschien selbst das Stammpublikum unter den Zuhörern im Saal gesättigt zu sein mit Informationen aus dem Liebesleben des Angeklagten.

Der Neustart des Verfahrens gestaltete sich vergleichsweise trocken: Der von S. neu verpflichtete Verteidiger Stephan Lucas und sein Kollege Alexander Betz attackierten das Gericht und insbesondere dessen Vorsitzenden Martin Rieder mit einem Befangenheitsantrag. Sie begründeten ihn mit einer Äußerung Rieders, der nach dem ersten Prozess sinngemäß gesagt hatte, es sei ein Fehler gewesen, dass man den Angeklagten nicht schon früher habe einsperren lassen. Die Verteidiger meinten, nicht nur der Vorsitzende und seine Strafkammer sondern die gesamte Münchner Justiz sei Thomas S. gegenüber voreingenommen, weshalb der Fall andernorts verhandelt werden müsse. Über den Befangenheitsantrag ist noch nicht entschieden.

Staatsanwalt Florian Gliwitzky wirft S. sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses vor. Er soll der Staatsanwältin Psychopharmaka verschrieben und ihr Blandkorezepte überlassen haben, damit sie ihm als Domina zur Verfügung steht. Der Angeklagte bestreitet das. Die Staatsanwältin erlitt nach einer Überdosis einen Zusammenbruch. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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