Psychiater vor Gericht:Erst die Liebe, dann die Drogen

Es sei "nicht nur um Sex" gegangen: Ein Münchner Gerichtspsychiater steht vor Gericht, weil er einer suchtkranken Staatsanwältin Betäubungsmittel verschrieben haben soll. Bei Prozessbeginn schildert er seine Version der "Liebesbeziehung".

Von Andreas Salch

Der stets sonnengebräunte Gerichtspsychiater Thomas Sch. genoss bei der Münchner Justiz bisher einen untadeligen Ruf. Nicht wenige Richter schätzten den Forensiker wegen seiner Fähigkeit, in Windeseile Gutachten zu erstellen. Als Sachverständiger saß Sch. in Prozessen gleich neben dem Staatsanwalt. An diesem Dienstag jedoch muss der 59-Jährige am Landgericht München auf der Anklagebank Platz nehmen. Sch. soll einer früheren Staatsanwältin und Richterin am Landgericht München I, die in eine psychische Krise geraten war, wider besseres Wissen Psychopharmaka verschrieben haben. Die Juristin, so heißt es unter anderem in der Anklageschrift von Staatsanwalt Florian Gliwitzky, soll dem Psychiater mit dem schlohweißen Haar dafür ein "sexuelles Verhältnis in Aussicht gestellt haben".

Noch bevor der Prozess vor der 1. Strafkammer am Landgericht München II richtig beginnt, stellt Hartmut Wächtler, der Anwalt der ehemaligen Staatsanwältin, den Antrag, die Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung seiner Mandantin auszuschließen. Thomas Sch. jedoch besteht darauf, dass sein Verteidiger Matthias Nanz, mit dem er gemeinsam ein Segelschiff besitzt, zuvor noch eine Erklärung verliest - und zwar im öffentlichen Teil der Verhandlung. Daran habe er "äußerstes Interesse", meldet sich Sch. ungeduldig zu Wort.

"Das intime Verhältnis in die Tat umgesetzt"

In der dreiseitigen Erklärung, die Anwalt Nanz anschließend verliest, weist Sch. darauf hin, dass die ehemalige Staatsanwältin ihn im Juni 2010 via SMS "unmissverständlich" aufgefordert habe, zu ihr nach Hause zu kommen. Sie habe gewusst, "dass ich von ihr sehr fasziniert war und etwas von ihr wollte", so der Psychiater. Nur zwei Tage nach dieser SMS "haben wir das intime Verhältnis in die Tat umgesetzt", heißt es etwas holprig in der Erklärung. Niemals, beteuert Sch., wäre es ihm in den Sinn gekommen, "dass eine Staatsanwältin der politischen Abteilung mich zu einer illegalen Handlung verleiten würde".

Laut Anklage soll der 59-jährige Psychiater für das erste gemeinsame Stelldichein in der Wohnung der Juristin "Utensilien mitgebracht haben, die er für softe Sado-Maso-Praktiken benötigte". Das Verhältnis zu der heute 43-Jährigen bezeichnet Sch. als "Liebesbeziehung". Es sei "nicht nur um Sex" gegangen. Es habe sich vielmehr um eine "echte Beziehung" gehandelt mit Spaziergängen "Hand in Hand durch den Englischen Garten", gemeinsamen Urlauben und Opern-Besuchen. Dabei sei sogar darüber gesprochen worden, miteinander Kinder zu haben.

Niemals habe es ein Arrangement gegeben

Den Vorwurf, die 43-jährige Juristin sei seine Patientin gewesen, weist Sch. vehement zurück. Ebenso habe es niemals ein "Arrangement" im Sinne von Pillen gegen Sex gegeben. Das erste Rezept habe er der Juristin ausgestellt, als "wir bereits ein Paar geworden waren". Bei dem Medikament habe es sich um ein "niederpotentes Neuroleptikum" gehandelt und nicht um einen Tranquilizer, von denen die 43-Jährige damals abhängig war. Tranquilizer habe er nie verordnet, so Sch.

Ende 2010 brach die ehemalige Staatsanwältin wegen eines übermäßigen Konsums von Tavor zusammen. Woher sie diesen Tranquilizer hatte, wisse er nicht, behauptet Sch. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

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