Flüchtlinge:Lückenhafte Information

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Die Perlacher kritisieren in der Bürgerversammlung die städtische Politik der Unterbringung

Von Hubert Grundner, Perlach

Überrumpelt und überfordert von den jüngsten Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik der Stadt fühlen sich viele Bürger im Stadtbezirksteil Perlach. Die überraschende Entscheidung des Sozialreferats, an den Standorten Nailastraße und Im Gefilde statt erwachsener Asylbewerber unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) unterzubringen, hat zu Irritationen geführt. Ihren Niederschlag fanden sie am Donnerstagabend bei der von Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) geleiteten Bürgerversammlung für Perlach. Rund 500 Zuhörer drängten in die Aula des Schulzentrums an der Quiddestraße - und sie hatten Fragen. Wolfgang Dorsch wollte wissen, warum die Nachbarn der Unterkunft Nailastraße nicht informiert wurden, dass Jugendliche statt der Erwachsenen kommen sollen.

Hans Schiedermaier thematisierte die künftige Wohnanlage für UMF an der Ottobrunner Straße 90-92. Er behauptete, darüber erst kurz vor der Versammlung in einem Anzeigenblatt gelesen zu haben. Er unterstellte der Verwaltung, solche Einrichtungen bevorzugt im Osten anzusiedeln. "Werden wir jetzt langsam zum Sozialhilfeamt der Stadt?", fragte Schiedermaier unter starkem Applaus.

Markus Schön vom Stadtjugendamt wies diese Vorwürfe zurück. Er begründete den Wechsel in der Belegung damit, dass die Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge sprungartig gestiegen sei und man dringend Plätze benötigte. So schnell wie möglich, Anfang Juni, habe man die Öffentlichkeit bezüglich Nailastraße und Gefilde informiert. Und mit Blick auf das ehemalige Apartmenthaus an der Ottobrunner Straße stellte Schön fest, dass es sich hierbei um keine herkömmliche Asylbewerberunterkunft handele, sondern um eine reguläre Jugendhilfeeinrichtung. Die minderjährigen Flüchtlinge würden dort betreut, damit sie ihre Schulausbildung absolvieren, den Berufseinstieg schaffen und letztlich nicht in der Wohnungslosigkeit landen.

Es wurde aber auch grundsätzlicher Widerspruch laut. So stellte beispielsweise Erika Hoffmann den Antrag, zum Standort Im Gefilde Alternativen an der Arnold-Sommerfeld-Straße zu prüfen. Dies wünschte sich auch Maria Raßhofer, die darüber hinaus einen Baustopp verlangte, solange dies nicht geschehen sei. Beide Anträge wurden mehrheitlich beschlossen. Dass dies aber nicht notwendig der Mehrheitsmeinung der Waldperlacher entspreche, versuchte Ulrich Knauer zu verdeutlichen. Angesichts mancher Wortmeldung habe er sich gefragt, ob er in der Bürgerversammlung für Perlach oder im "Bundesverband der St.-Floriansjünger" gelandet sei. Viele der Einwände gegen die Flüchtlingsunterkunft seien "jämmerlich" und dienten nur dazu, sie zu verzögern. "Es wird Zeit, dass sie endlich gebaut wird", befand Knauer stattdessen. "Kümmern wir uns darum, dass die Flüchtlinge ordentlich betreut werden", fügte er unter großem Beifall hinzu.

Mindestens so turbulent ging es beim anderen Aufregerthema des Abends zu: zwei potenziellen Großprojekten im Gewerbegebiet entlang der Arnold-Sommerfeld-Straße. Seit Überlegungen bekannt wurden, dort einen U-Bahnbetriebshof sowie einen "Wertstoffhof plus" zu errichten, herrscht bei vielen Nachbarn große Aufregung. Für etwa 70 von ihnen sprach - nach eigenen Angaben - Stefanie Nytsch in der Versammlung. Sie forderte, dass die Bürger sofort und lückenlos informiert und an der Bauleitplanung für die als Gewerbegebiet ausgewiesenen und bisher unbebauten Flächen entlang der Arnold-Sommerfeld-Straße sowie für die verkehrstechnisch betroffene Umgebung beteiligt werden, ebenso wie die Umwelt- und Naturschutzverbände. Der Antrag fand eine große Mehrheit.

Nytsch begründete ihn unter anderem damit, dass durch den Bau von U-Bahnbetriebshof und Wertstoffhof - angrenzend an den Grünzug im Gefilde - Waldperlach in Richtung Neuperlach regelrecht abgeriegelt werde. Außerdem würde das erst vor wenigen Jahren mit großem Aufwand geschaffene Naherholungsgebiet Im Gefilde entwertet. Hinzu komme, dass die Anwohner infolge der beiden Großprojekte mit Dauerlärm, Staub, Gestank und hohem Lkw-Aufkommen zu rechnen hätten. Ähnlich argumentierte Gerhard Kelemen. Er stellte erfolgreich den Antrag, dass die Machbarkeitsstudie der Stadtwerke für den zweiten U-Bahnbetriebshof veröffentlicht werden soll. Edelgard Mösch wiederum verlangte, dafür einen anderen Standort zu suchen.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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