Paradiso Tanzbar:Schluss mit Zirkus

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Vorhang zu im Paradiso: Ab dem 2. August müssen sich die Fans der plüschigen Zirkusmanege eine Alternative suchen. Wir waren noch mal drin.

Alice Peterhänsel

Kürzlich, an einem Freitag, kurz vor halb 12 im Glockenbachviertel, schien eigentlich noch alles in Ordnung zu sein. Unter dem roten "Paradiso"-Schriftzug dirigierte der Chef Jürgen Mair die Leute in die Tanzbar. Seit der 37-Jährige das ehemalige Travestie-Lokal Old Mrs. Henderson im Herbst 2008 als Paradiso Tanzbar neu eröffnet hat, brennt hier jeden Donnerstag bis Samstag wieder die Hütte. Wieder, weil an gleicher Stelle in den Siebziger und Achziger Jahren schon Freddy Mercury und Mick Jagger wilde Partys gefeiert haben. Mercury drehte im jetzigen Paradiso sogar das Video zum Song "Living on my Own".

Auf dem Paradiso-Logo ist die Silhouette einer Frau im New-Burlesque-Stil zu sehen - wir haben sie in Form einer sympathischen Bedienung getroffen. (Foto: Foto: Alice Peterhänsel)

Plötzliche Schließung stiftet Verwirrung

Durch die schwarze Tür kommen nur bekannte Gesichter, Leute mit Platz auf der Gästeliste oder sehr Frühentschlossene im richtigen Outfit. Ohne diese Voraussetzungen wird es schwierig. Einmal abgewiesen, hilft auch ausdauerndes Warten, Diskutieren oder Flehen nichts. "Drin'" fühlen sich eben derzeit viele "in" und daher kann sich Mair ein bisschen Willkür beim Einlass schon erlauben.

Umso überraschender erscheint deshalb die Nachricht über das plötzliche Ende der "Tanzbar" schon ab dem 2. August. Via Facebook kündigte das Paradiso-Team allen Fans der Gruppe die Schließung an und sendete noch "einen letzten Gruß an alle, die es bis dahin nicht mehr hinschaffen". Ein so abruptes Ende schockt die eingefleischten Fans. Auf der Pinnwand hagelt es Fragen und Spekulationen: "Nur eine Sommerpause, oder?" Auf der offiziellen Website ist bisher noch nichts über die Schließung zu lesen, es bleibt also spannend.

Plüsch-Romantik und edles Prickelwasser

Im Club angekommen, führt ein kurzer Gang an der Garderobe vorbei und direkt in den überschaubaren Club. Überall sind Spiegel an der Wand, rechts befindet sich eine der insgesamt zwei Bars. Eine bunt blinkende Disco-Tanzfläche bildet den Mittelpunkt. Von dieser ist jedoch spätestens ab Mitternacht eigentlich nicht mehr zu sehen ist, weil sich so viele Menschen aneinander drängen. Maximal tummeln sich hier zwischen 300 und maximal 400 Menschen. Wem es zwischen den vier schwarzen Säulen dann doch zu kuschelig wird, der kann auf die Stehflächen rechts und links neben der Tanzfläche ausweichen. Auf der Erhöhung hat man zwar eine gute Aussicht, klebt aber bei jedem Schritt an dem schon etwas in Mitleidenschaft gezogenen roten Teppichboden fest.

Paradiso Tanzbar
:Schluss mit Zirkus

Vorhang zu im Paradiso: Ab dem 2. August müssen sich die Fans der plüschigen Zirkusmanege eine Alternative suchen. Wir waren noch mal drin.

Alice Peterhänsel

Da richtig ausgelassenes Tanzen auf dem engen Raum kaum möglich ist, wird eher hin- und hergewippt oder Ausschau gehalten - und das nicht zu knapp. Das eher schick gekleidete Partyvolk zwischen 25 und 40 ist durchaus in Flirtlaune. Musikalisch geht es querbeet von Peter Fox über Dancefloor- und Rock-Klassiker bis hin zu beliebten Achzigern. Besonders beliebte Hits werden manchmal sogar drei Mal pro Abend wiederholt.

An der Bar wird man ausnahmslos freundlich bedient, egal was man bestellt. Über der Bar findet man auf den ersten Blick nämlich nur Flaschenpreise: Wodka (ab 45,00 Euro), Moet et Chandon (ab 85,00 Euro), Rosé Champagner (ab 115,00 Euro). Teuerstes Getränk ist die Neun-Liter-Pulle Moet Champagner für 1470 Euro. Das Bierchen musste man da erst mal suchen.

Ein Helles kostet 3,50 Euro, Gin Tonic 8,50 Euro, Vodka Bull 9,50 Euro und Tequila-Shots 4,50 Euro. Angesichts der tropischen Temperaturen, die einen im Club erwarten, sind vielleicht auch die Durstlöscher interessant: 0,2 Liter Wasser oder Cola gibt es für 3,00 Euro und diverse Fruchtsäfte für 3,50 Euro.

"Roter Samt, große Spiegel und schwere Kristall-Lüster - sehr sinnlich, herrlich plüschig und alles andere als Mainstream!": Wer das auf der Website gelesen hat, wird von der Einrichtung nicht enttäuscht. Außer drei Discokugeln baumelt hier noch ziemlich viel Plunder von der Decke herab: Kunstblumen, Perlenvorhänge, ein Schmetterling aus Pappe, übergroße Masken und knallrote Lüftungsrohre. Überhaupt wirkt alles wie von einem rötlichen Schleier überzogen. Es gibt auch Sitzgelegenheiten, allerdings nur in dem klimatisierten Vip-Bereich ganz hinten im Club und auf einer zwei Meter langen Bank neben der Garderobe.

Alles in allem ist die Paradiso Tanzbar ein Raucherclub, der etwas verruchtes ausstrahlt. In der Anfangsphase nach der Eröffnung war der Mix aus stylischen Szenemenschen, schrillen Typen aus dem Glockenbachviertel und einem Hauch extravaganter Hemdenträger, denen es im P1 zu steif zuging, perfekt. Zumindest an diesem Abend wirkte die Menge aber etwas homogen. Paradiesvögel, wie eine junge Frau im Dita von Teese-Stil, leider nur hinter der Bar.

Sollte das Paradiso nach einer Sommerpause noch einmal die Zirkusmanege öffnen, könnte das ein bunter Herbst werden.

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