Paketzentrum in Aschheim:Weihnachten wird in Aschheim entschieden

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Im Paketzentrum in München haben die Mitarbeiter in den Tagen vor Weihnachten besonders viel zu tun. (Foto: Florian Peljak)

Im Paketzentrum der Deutschen Post müssen derzeit fast doppelt so viele Sendungen bearbeitet werden wie unterm Jahr. Um den Mehraufwand zu bewältigen, unterstützen Saisonarbeiter die Stammbelegschaft. Denn vieles muss immer noch von Hand erledigt werden

Von Selina Thaler, Aschheim

Vorsichtig reißt Dominique die durchsichtige Folie auf. Pakete in allen Größen liegen auf der Palette. Eins nach dem anderen legt sie auf das Förderband, das aussieht wie das Paketband am Flughafen. Manche landen leise, andere mit einem lauten "Rumms". Links liegen große Pakete, rechts die kleinen. Sind die Päckchen zu klein oder instabil verpackt, legt Dominique sie in eine gelbe Schale - die sogenannte "Mausefalle" - sonst gehen sie auf dem Weg verloren.

Dominique trägt Arbeitshandschuhe, Schuhe mit Stahlkappen und Fersenschutz und einen blau-gelben Pullover mit dem Post-Logo. Sie macht eine Lehre bei der Post. Seit einer Woche ist sie im Paketzentrum in Aschheim eingesetzt, eines von 33 Paketzentren in Deutschland. Dort bearbeitet sie Sendungen, die aus den Postleitzahlgebieten 80, 81, 83 und zum Teil 85 verschickt werden oder für diese bestimmt sind.

450 000 Sendungen pro Tag

Vor Weihnachten sind das besonders viele: Normalerweise sind es 250 000 Sendungen pro Tag, derzeit können es bis zu 450 000 sein. "Mehr Pakete heißt auch mehr Leute", sagt Martin Drotleff, Sachbearbeiter im Paketzentrum. Daher werden in der Vorweihnachtszeit zusätzlich 70 Saisonarbeiter beschäftigt, knapp 300 Leute sind im Einsatz.

Die Auszubildende füllt gerade eines der sechs Förderbänder, von dem die Pakete in den Kreislauf des Paketzentrums gelangen. Große Versandhaus-Pakete, kleine gelbe Postkartons oder Päckchen, die in Geschenkpapier mit Christbäumen und Sternen verpackt sind, passieren eine Lichtschranke. Diese stellt sicher, dass die Pakete im richtigen Moment auf Transportschalen verfrachtet werden. "Es dürfen nie zwei Pakete auf einer Schale landen", sagt Drotleff.

In dem Moment passiert es doch: Eine Sirene ertönt und ein orangefarbenes Warnlicht blinkt auf. "Wenn Pakete nicht ordentlich aufgelegt werden, kann es sein, dass sie nicht richtig auf den Transportschalen landen", erklärt Drotleff. Nach wenigen Sekunden ist ein Techniker zur Stelle. Er kommt mit dem Fahrrad, weil die Distanzen so groß sind - 230 Meter lang ist der Hauptgang. Nach zwei Handgriffen läuft das Förderband wieder, die Sirene wird vom Rattern der Blechschalen abgelöst.

Diese transportieren die Pakete zu einem Scanner, der die Adresse liest und jedem Paket eine Identitätsnummer gibt. "Die Schale bekommt also die Information, in welchem Bereich sie kippen muss," sagt Drotleff. Konkret sieht das so aus, dass die Pakete nach dem Scan wieder auf Transportschalen landen, die auf einer achterbahnartigen Konstruktion durch das gesamte Paketzentrum rattern. Je nach Adresse kippt die Schale und befördert das Paket in eine Auffangrutsche. Erding, München oder Hamburg stehen auf Zetteln, die auf den Rutschen kleben.

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(Foto: Florian Peljak)

Vor Weihnachten landen besonders viele Päckchen im Paketzentrum in Aschheim: Bis zu 450000 Sendungen täglich.

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(Foto: Florian Peljak)

Mit Förderbändern werden die kleineren Pakete durch die riesige Halle transportiert...

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(Foto: Florian Peljak)

...und verteilt.

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(Foto: Florian Peljak)

Besonders große Sendungen müssen mit Transportwagen geschoben werden.

Wenn der Scanner die Adresse nicht lesen kann,...

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(Foto: Florian Peljak)

...landen sie bei einer Mitarbeiterin.

Ganz ohne menschliches Zutun funktioniert das System aber nicht: Ein Arbeiter lädt pfeifend die Pakete von der Rutsche in eine sogenannte Wechselbrücke. Dieser acht Meter lange Container fasst etwa 1200 Pakete. Ist er voll, wird er verplombt - als Versicherung, dass auch kein Paket auf dem Weg verloren geht. Ein Lieferant holt den Container ab und bringt ihn dann - abhängig vom Bestimmungsort - in die regionalen Zustellbasen oder in ein weiteres Paketzentrum und schlussendlich an die Empfänger.

"Wir sind ein sehr eingangslastiges Paketzentrum", sagt Drotleff und zeigt auf die Pakete, die in den Raum München geliefert werden. Das liege daran, dass die Kaufkraft in München und im Landkreis sehr hoch sei, die Leute bestellten viel. Das Paketzentrum in Augsburg sei beispielsweise ausgangslastig, da Amazon und der Weltbildverlag ihren Sitz dort hätten und viele Pakete von dort weggeschickt würden.

Nicht immer erreichen die Pakete ohne Zwischenstopp die rosaroten Rutschen, manchmal landen sie auch in einer Roten. Das passiert, wenn der Scanner die Adresse nicht lesen kann.

Dann ist Anne am Zug. Sie arbeitet seit 30 Jahren im Paketzentrum. "Oft sind Straßennamen schlecht zu lesen, oder die Zahlen bei den Postleitzahlen vertauscht", erklärt sie. Dann muss sie die Adresse eintippen und einen neuen Strichcode erstellen, damit der Scanner das Paket lesen kann. "Jetzt habe ich was Schönes", sagt Anne und begutachtet über den Rand ihrer Brille ein Paket. Es ist aufgerissen, die Adresse ist kaum zu erkennen. Doch Anne ist Profi: "Das heißt Oberschleißheim", sagt sie. Ihre Fingerkuppen haben Hornhaut, ihre Nägel sind kurz, sie tippt sehr schnell. Vor Weihnachten ist viel zu tun, "da mache ich auch Überstunden, um das abzuarbeiten", sagt sie schulterzuckend.

Auch Koffer werden mit der Post verschickt

Ist ein Paket unbeschädigt, kommt es wieder in den Kreislauf, ansonsten muss es neu verpackt werden. Auch jene Pakete, die zu groß für die Transportschalen sind, gelangen auf anderem Weg in die Wechselbrücken. Sie müssen händisch sortiert werden. Ein Arbeiter mit Warnweste zieht einen Transportwagen mit Paketen an Drotleff vorbei: "Skier, Schlitten, Autoreifen", sagt der Sachbearbeiter. Auch Koffer werden mit der Post verschickt. Zu Weihnachten sind hauptsächlich kleine Pakete unterwegs: "Schmuck, Bücher, CDs", sagt Drotleff - er kennt die Versandhäuser.

Damit alles reibungslos abläuft, gibt es das "Gehirn des Paketzentrums", wie Drotleff es nennt. Dieses Gehirn sind acht Monitore und der Schichtleiter in der Leitstelle. Dieser ordnet über die Monitore die jeweiligen Container den Lieferanten zu. Der Schichtleiter darf nichts falsch machen, denn er ist die letzte Instanz, die einen Fehler entdecken kann. Aus seinem Funkgerät erklingen abgehackte Wörter, es rauscht und kracht, aber der Schichtleiter lässt sich nicht ablenken.

Drotleff selbst hat ein Weihnachtsgeschenk per Post verschickt, nach Polen. Das sei schon angekommen - nach zwei Tagen: "Oft ist eine Postkarte aus Südfrankreich länger unterwegs, als unsere Pakete."

© SZ vom 22.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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